Geilomat

Katja und Eli wollen in Weihnachtsstimmung kommen und fahren nach Norwegen in den Winterurlaub. Dies sind ihre Abenteuer.

8.12. Ankomst

"Sie haben ja ein Taschenmesser im Handgepäck!" Die freundliche Dame von der Sicherheit am Flughafen Schönefeld lächelt mich an. Ich versuche möglichst unschuldig zurückzulächeln. Das darf doch nicht wahr sein. In Tegel liegt schon ein Schraubenzieher von mir, jetzt nicht auch noch mein Schweizer Taschenmesser. Das kommt davon, wenn man seine Rucksäcke nur 2 Mal im Jahr benutzt, und nicht mehr wagt, in den Bodensatz der Seitentaschen zu greifen. Als ich das Taschenmesser herauskrame, kommen noch ganz andere Sachen zum Vorschein. Unter anderem zwei Wellness-Müsliriegel aus dem guten Schweizer Aldi, gekauft als Wanderproviant vor 5 Monaten. Lecker!

Das leichte Störgefühl im Kiefer, dass mich schon seit einigen Tagen beunruhigt, meldet sich verstärkt. Aber das unschuldige Lächeln scheint zu wirken, mein Taschenmesser darf mit nach Oslo. Der Größenvergleich der Messerklinge mit der Flughafen-Chipkarte hat wohl ergeben, dass es nicht tödlich genug ist. Zumindest nicht so tödlich wie ein Schraubenzieher. Und ich schöpfe leise Hoffnung, dass sich das Störgefühl als Phantomschmerz herausstellt.


Preisfrage: Was ist gefährlicher?

Erste Irritation im Flugzeug: Die Stewardessen tragen schwarze Lederhandschuhe, schwarze Stiefel und sind ungefähr 2 Meter groß. Mit denen hätte ich wegen meines Messers bestimmt nicht diskutiert. Wir stellen erste Hypothesen zur Persönlichkeit des Norwegers an sich an und versuchen, uns ein wenig auf den Urlaub einzustimmen. Wieso Norwegen? Wieso Dezember? Die Rekonstruktion unserer Beweggründe fällt schwer, aber jetzt ist es sowieso zu spät.

Velkom in Norge. Am Gepäckband in Oslo empfängt uns eine Wolke aus Alkoholdämpfen. Paranoid schnüffeln wir an unseren Rucksäcken, schließlich schleppen wir alles an Alkoholika mit, was legal eingeführt werden darf. Riecht alles normal. Im Zug in die Stadt wiederholt sich das Prozedere: Fahne-Paranoia-Schnüffeln-leidliche Beruhigung. Woher soll der Geruch denn sonst kommen?!

Unsere freundliche Gastgeberin Marit holt uns vom Bahnhof ab. Sie kommt gerade von einer Party und schlägt vor, sie doch gleich wieder mit dahin zu begleiten. Was für ein Empfang! Die Feier ist toll: Noch nie habe ich so viele Weinflaschen auf einem Haufen gesehen. Auf gehts, wir haben ziemlich was aufzuholen!

Das Wort des Tages: Kollektivtransport!




9./10. 12. Akklimatisierung im Basislager

Staunend laufen wir in Oslo umher: was für eine großartige Sprache! (Katja meint, die Norweger sind uns einfach ca. 10 Rechtschreibreformen voraus.) Was für tolle Wörter! Alle, alle müssen laut (und falsch) vorgelesen und ordentlich belacht werden. Das verspricht ein unterhaltsamer Winterurlaub zu werden. Katja meint, in anderen Ländern hätten wir beim Skifahren sicherlich nur halb so viel Spaß. Ich gebe zu bedenken, dass auch die Schweiz mitunter mit lustigen Wörtern aufwarten kann. Katja winkt ab, sie hält Norwegisch sowieso für eine Abart des Schweizerdeutschen, versetzt mit Thailändischem Singsang.

Das Wort des Tages: Brannslange!


Ein Besuch im Vigelandsparken lässt uns unsere Hypothesen zur Norwegischen Seele überdenken. Zumindest scheinen lange Haare hier keine unbedingt gute Idee zu sein:



Und auch Munch scheint an Phantasien noch so einiges zu bieten zu haben, was in Kontinentaleuropa nicht überliefert ist.



Unsere Neugier auf die nächsten Tage im Hinterland wird dadurch natürlich nur noch angeheizt.


11.12. Auf in den Schnee

Nomen est omen, oder? Also muss man über den Wintersportort "Geilo" wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Dachten wir uns. Wetteronline sagt "30cm Schnee", es gibt eine Jugendherberge im Ort und die Bilder im Netz sehen traumhaft aus. Passt doch alles! Also machen wir uns auf den Weg dahin, wo es derzeit in Norwegen am kältesten ist: in die „Mitte vom dicken Teil“.

Marit gibt uns ein Motto mit auf den Weg: Går det så går det - og går det ikke så går det også. bzw.: "Wenns jeht, jehts, wenns nich jeht, jehts och".

Marit stammt aus Bodø, das liegt ein gutes Stück jenseits des Polarkreises. Vielleicht wird man ja so weise, wenn man die Sonne den ganzen Winter nicht einmal zu Gesicht bekommt.

Zugfahren in Norwegen ist toll. Schon der Fahrkartenkauf im Internet ist das reinste Vergnügen: Egal, ob der Zug langsam oder schnell ist, man Hin-und Rückfahrt oder nur eine Richtung bucht: für alles gilt der gleiche Preis. Ermäßigung gibt es stattdessen für Studenten. In unserem Fall: immerhin 100 Kronen pro Strecke und Person. Mir sind allerdings Gustav Vigelands gruselige Skulpturen von noch etwas zu präsent und ich wage nicht, die Studentenermäßigung unrechtmäßig in Anspruch zu nehmen. Aber das beste: Man braucht kein Ticket! Einfach auf den reservierten Platz gesetzt, der Zugbegleiter weiß Bescheid. Und nichts, nichts, nichts wird kontrolliert.

Merke: der Norweger an sich ist sehr vertrauensvoll.

Während wir gemütlich-schläfrig auf Geilo zuschaukeln, wandern unsere Blicke bang und bänger von Uhr zu Fenster und wieder zurück. Hoffentlich sind wir nicht bald da! Denn die Aussicht verheisst nichts Gutes. Von Schnee weit und breit keine Spur, stattdessen grauer Matsch überall.

Aber es gibt kein Entrinnen. Nach Gol kommt Ål kommt Geilo. Irgendwie hatten wir uns den Ort anders vorgestellt. Der Schnee, der vor einiger Zeit zweifelos gefallen war, hatte sich in dicke Eisplatten verwandelt, die nun alle Gehwege bedecken. Grau ist die Farbe der Saison.

Der erste Blick vom Bahnhof fällt auf das Sonnenstudio "Sol", das mit dem Slogan "Garantert brun" wirbt. Wir murmeln Marits Motto und machen den ersten Eintrag auf der Alternativ-Optionsliste.

Der erste Gang des guten Touristen führt in das Haus mit dem großen "i" auf dem Dach. Die Ladies dort belächeln uns frech. Skifahren? Kein Schnee, kaum ein Lift ist offen. Langlauf? Nur 2 Loipen sind gespurt. Wandern? Viel zu viel Schnee! Wir gucken entgeistert, die Ladies zucken mit den Schultern und lächeln weiter.

Merke: Wenn Norweger nach Hause wollen, können sie verdammt hämisch sein.

Frustriert nehmen wir uns ein Taxi zur Jugendherberge. Dort der erste kleine Lichtblick: Anstelle des reservierten 2-Bett-Zimmers nächtigen wir in einer vergleichsweise luxuriösen Hütte mit extra Schlafzimmer, Wohnküche und eigener Dusche. Die Sauna ist 2 Fußminuten entfernt. Wir haben sogar einen Fernseher (ein ganzer Sender!), allerdings kein Radio. Dafür gibt es gibt W-Lan in der Hütte, und Katja hat ihr Notebook dabei.

Wir packen aus und erstellen die Alternativ-Options-Liste für die nächsten Tage:

  • Mit Skibrille auf die Sonnenbank. (Alternativ auch mit Stirnlampe. Das macht noch bessere Muster, ist aber weniger glaubwürdig.)
  • Wandern mit Hinkelstein. Irgendeine Herausforderung muss ja dabei sein.
  • Blaue Flecken zählen. Die vereisten Gehwege sind durchaus bedrohlich.
  • Schneemänner bauen fällt wohl flach. Alternativ: Eisskulpturen schnitzen. Das Taschenmesser habe ich ja schließlich dabei.
  • Rum in allen denkbaren Kombinationen mit den vorhandenen Getränken ausprobieren. Die Flasche muss alle werden! Es stehen zur Auswahl: Kaffee, Wasser mit Husholdningssaft, Milch, heisse Schokolade, Kräutertee.
  • Sauna, Sauna, Sauna.
  • Einen freundlichen ftp-Server suchen, der uns bei der Abendgestaltung unterstützt.
  • World of Warcraft-Meister werden.
  • Auf Fotosafari gehen und die besten Wortkombinationen mit "Geilo" suchen.
  • Fahrradfahrer schubsen. Von denen sind uns auf den vereisten Gehwegen einfach zu viele begegnet. Und keiner ist ausgerutscht. Dem muss nachgeholfen werden.


Das Wort des Tages: Fartsrekord!



Voilà, und das isser: der Geilomat!

12.12. Geilo Streifzug

Mit Erschrecken stellen wir fest, dass sich Katjas gesamte Musik auf ihrer externen Festplatte befindet. Die Datenrate des W-Lan Netzes lässt auch zu wünschen übrig, der MotorFM-Stream bricht ständig ab. Wir intensivieren die Suche nach freundlichen Servern. Am zugänglichsten erweist sich - wie auch nicht anders zu erwarten - Jack Johnson. Wir laden den Mitschnitt eines Livekonzertes und hüllen uns in eine Wolke aus Jack.

Was machen? Wir gehen die Optionsliste durch: am vernünftigsten hört sich "Wandern" an. Die Damen von der Geilo Turistinformasjon hatten uns zwar nicht viel Hoffnung gemacht, aber wir holen noch eine zweite Meinung ein. Der nette junge Mann von der Resepsjon solls richten. Wir nennen ihn Inge. Das ist unser zweitliebster norwegischer (wohlgemerkt Männer-!) Name, gleich nach "Odd". Inge sagt: "In die Berge? Kein Problem!". Inge weiß eine Menge! Er wusste zum Beispiel sofort, dass ich Pia bin ("I know who you are!"), als wir einchecken wollten. Inges Tipps werden also mit Vorsicht genossen. Wir lassen die Hinkelsteine in der Hütte, verzichten auf den Bus in die Berge und laufen stattdessen eine Runde um den Fjord am Ort.

So wenig Schnee liegt hier gar nicht! Und es gibt sogar Loipen. Mit Flutlicht! Da juckt es gleich in den Beinen. Also: losgestiefelt und Skier besorgt Die Ladies in der Skiutleie sind bedeutend hilfsbereiter als die Touri-Tanten von nebenan und schlagen uns gleich eine Route für den nächsten Tag vor. Allerdings warnen Sie uns vor Schneestürmen. Pah! Schneestürme, kann doch nicht so wild sein.

Das Wort des Tages: Miljø-Bomber


Das Piktogramm des Tages: ?


13.12. Schneesturm, hahaha

Ein Blick aus dem Fenster offenbart die erste schlechte Nachricht: in der Nacht hat es zwar geschneit, aber jetzt tropft es vom Hüttendach. Aber das bedeutet zumindest, dass bei diesem Wetter wohl so bald kein Schneesturm zu erwarten ist. Als wir endlich - vollgestopft mit norwegischem Bröselbrot - vor die Hütte treten, strahlt uns die Sonne auf karibisch-blauem Himmel entgegen. Und für meine Begriffe liegt hier eine ganze Menge weißer Kram.

Wir buckeln die Skier den Berg hoch, zum "Havsdalen Skisenter", dem Einstieg der zweiten offenen Loipe, die bis zur Hütte Prestholtseter auf 1358m führt.


Auf dem Weg setzt sich "Walking in a Winter Wonderland" so hartnäckig in meinem Gehörgang fest, wie sonst nur wenige Ohrwürmer. Sei's drum, denke ich Ami-Schnulzen-trällernd, es ist wirklich traumhaft.

Nach schlappen 5 Kilometern kommen wir oben an, aber wo ist die Loipe? Wo ist irgendein Weg? Wo sind eigentlich die Berge? Wo ist überhaupt irgendetwas? Und wieso ist es so verdammt windig?

Wir entscheiden, die Skier anzuschnallen und einfach loszulaufen. Skier an den Füssen haben den zusätzlichen Vorteil, dass man nicht bei jedem Schritt bis zur Hüfte im Schnee versinkt. Und wer braucht schon Loipen, oder Wege, wenn er einen Schneesturm hat? Amundsen hatte schließlich auch keine. Und der kam aus...? Ja eben, Norwegen.


Komm schon, hier gehts lang! Oder?!

Es dröhnt unter der Kapuze und wir sehen keine 5 Meter weit. Wenn wir überhaupt den Blick nach vorn wagen, denn der Wind peitscht Schnee in die Augen und wirbelt ihn um uns herum so auf, dass wir meinen, uns in einer Dampfwolke fortzubewegen. Ich fühle mich wie ein 80er Jahre-Rockstar auf der Bühne. Aber so plötzlich wie der Sturm gekommen ist, verzieht er sich auch wieder und versöhnt uns mit einem Ausblick auf die Schneewüste vor einem Himmel in grau-rosa-blau. Vakker!

Der Rückweg bergab erweist sich als Mutprobe für Snowboard-"der Schneepflug funktioniert nicht"-Katja. Aber auch ich habe ernsthafte Balance-Probleme. Während sich Katja gern aus voller Fahrt hinlegt, falle ich aus dem Stand. Gern beim Kartenstudium. Oder während Katja die Hüttentür aufschließt. Mein Mitbringsel aus Norwegen: zwei blaue Arschbacken.


Hurrah, Kenny und Conehead leben noch!

Das Wort des Tages: Geilokonserten



14.12. Geilo Shopping!


Es tropft. Nicht nur vom Hüttendach, sondern vom Himmel. Genauer gesagt regnet es in Strömen. Beim Anblick der Matschfläche, die sich spätestens über Nacht in eine spiegelglatte Eisfalle verwandeln wird, fangen meine Arschbacken an, wieder weh zu tun.

Beim Frühstück konsultieren wir die Optionsliste. Rum? Erst wenn es dunkel ist. Da müssen wir wohl noch bis 15.00 warten. „Fahrradfahrer schubsen“ rutscht derweil vor auf Platz eins.

Dann kommt Katja die zündende Idee: Wir gehen shoppen! Zugegeben, Werkzeug-Fabrikverkauf ist nicht ganz das Wahre, aber Messer und Schraubenzieher kann man ja immer gut gebrauchen!

Die Radfahrer kann man auf dem Weg zum Fabrikkutsalg gut erledigen. Dachten wir. Und versagen kläglich: Norweger lassen sich selbst auf Rennrädern auf schleimig-angetautem Eis absolut nicht aus der Ruhe bringen.



Nach dem dritten Geilo-Outlet haben wir die Schnauze voll und stapfen lieber im Regen bei gefühlten minus 10 Grad durch den Wald. Hui, was für ein Spaß!

Auf dem Rückweg zur Hütte wird der Regen zu Schnee. Als wir ankommen, ist bereits alles so verschneit, dass uns der Regentag wie ein schlechter Traum vorkommt. Frustriert sind wir immer noch. Aber eine doppelte Rumolade zähmt die schlechte Stimmung in Windeseile. Als extra Schmankerl gibt es zur Abendunterhaltung einen der in einem 3 Tage währenden Kampf mit den W-Lan-Elementen heruntergeladenen Filme. Zur Auswahl stehen nun: „About Schmidt“ (kennt Katja), „Oldschool“ (kenne ich. auswendig.) und „V wie Vendetta“ (Natalie Portman = gut, Kritiken = miserabel)

Wir machen uns einen gemütlichen Abend mit „Fau“, der sich als der wirklich aller, aller, allerschlechteste Film herausstellt, den ich jemals gesehen habe. Beware!!

Das Wort des Tages: Kransekake! (Ja, es wird mit kurzem "A" ausgesprochen...)


15.12. Ist Geilo noch zu toppen?

Schneeschneeschnee die ganze Nacht – gefühlte 2 Meter. Ein Räumfahrzeug kurvt wild durchs Hüttendorf und verfehlt unser Schlafzimmer nur knapp. Aber pünktlich zum Frühstück: kein Flöckchen am Himmel! Das ist gut, denn heute ist Abfahrts-Tag.

Wir stellen fest: Das Norwegische Wetter ist um diese Jahreszeit an Flippigkeit kaum zu überbieten. Während die Sonne um 11:52 über den Bergrücken blinzelt, kann man um 12:05 den Berg nicht einmal mehr sehen.

Aber wie war das noch mit dem schlechten Wetter und der unpassenden Kleidung? Wir sind doch ausgerüstet!


Als wir uns gegen Mittag endlich bis zur Station durchgeschlagen haben, macht uns der Utleie-Opa ungefragt einen wirklich guten Sonderpreis, bei der resoluten Dame vom Lift beißen wir allerdings trotz hartnäckigster Verhandlung auf Granit. Nun denn, solange vom Spielgeld noch was übrig ist. Bloß nichts umrechnen!

Zumindest die Schneequalität scheint ihren Preis wert zu sein. Katja meint, es sei der sympathischste, auf dem sie je gefahren ist.


Nach der vierten Abfahrt – wir sind gerade so richtig schön im Flow – werden vor unserer Nase die Lifte geschlossen. "Too strong winds! It’s for your own safety!" Die Snowboard-Kids stapfen ohne zu murren in die Hütte, wir gehen zur spröden Lift-Tante und versuchen, wenigstens einen klitzekleinen Mitleids-Refund auszuhandeln. But it’s for your own safety!

Merke: Die Norweger können von den Italienern noch eine Menge lernen.

Mürrisch folgen wir den Kids in die Hütte. Vielleicht zeigt sich das Wetter ja jetzt wieder von seiner überaus flippigen Seite.



Nach einer Stunde ist immer noch keine Wetterbesserung in Sicht. Die Snowboard-Kids haben längst aufgegeben, wir harren als Einzige aus. Wahrscheinlich sind wir auch die einzigen, die heute einen Halbtagspass gekauft haben.

Und wieder hat Katja eine grandiose Idee: Ich könne doch Snowboard-Fahren lernen! Also bekomme ich einen Kurs in „Schöner Fallen“, der wahrscheinlich allein Katjas Belustigung dient.

Als wir mit knirschenden Scharnieren vom Berg verschwinden wollen, schneidet uns die Lift-Dame den Weg ab. Sie möchte uns für den nächsten Tag einen kostenlosen Liftpass geben.

Merke: Die Norweger haben von den Italienern schon eine Menge gelernt!

16.12. Schon Wochenende?

Wir frühstücken Bröselbrot bei blauem Himmel, aber zum Lift laufen wir natürlich wieder im Schneegestöber und rechnen mit dem Schlimmsten. Aber alles läuft, der Wind hält sich in Grenzen (Weil es zu kalt ist, befindet die Dame vom Lift mit Kennermiene.) und der befürchtete Ansturm ganz Skandinaviens auf Geilos Pisten ist selbst am ersten Saison-Wochenende ausgeblieben.

Vier perfekte Abfahrtsstunden folgen. (nur etwas getrübt durch die Tatsache, dass mir im Sessellift übel wird - ob das noch Nachwirkungen des Segeltrips vor einigen Monaten sind?) Sogar fürs Entertainment ist gesorgt: belustigt beobachten wir die Telemarker (Telemarketer?), die die Abhänge im Entengang runterkrauchen.

Auf dem Rückweg eine kleine Irritation: "V" (wie Vendetta, der heroische Fechter) scheint Katja doch nachhaltiger beeindruckt zu haben, als gedacht. Jedenfalls kann sie es sich nicht verkneifen, ein eigenes Messerset zu besorgen.

Für alle Dezember- Geburtstagskinder haken wir noch einen weiteren Punkt auf der Optionsliste ab und basteln eine Schneetorte, bevor wir zum allabendlichen Saunagang aufbrechen.


Mal schauen, ob ich die Füße noch spüre, wenn ich an der Tür angekommen bin.

Das Wort des Tages: Geilo Tomteservice!



17.12. Langrenn 2.0

Oh, du schöne Ski-Saison-Zeit: Es fahren Skibusse! Leider nicht den fiesen Berg hoch zum Loipeneinsteig, aber wenigstens müssen wir die Skier nicht hochschleppen: denn mittlerweile ist auch die Utleie am Havsdalen Skisenter geöffnet.

Aber wer braucht denn Skibusse, wenn er von freundlichen Norwegern (wanna ride?) einfach mitgenommen wird? Vor uns tun sich italienische Abgründe in der nordischen Seele auf.

Es ist erst 11.00 – so früh waren wir noch nie auf dem Berg. Die Engländerin an der Ausleihe versichert uns, dass die Loipe an diesem Morgen frisch gespurt wurde, und tatsächlich - diesmal ist der Einstieg nicht zu übersehen. Jungfräulich, scharfkantig, wunderschön.

Aber auch bei denkbar bestem Wetter ist das Langlaufen hier weit entfernt vom gemütlichen Rumschlittern im Ötztal. Möglicherweise liegt das daran, dass es stetig bergauf geht. Vielleicht auch am fiesen Gegenwind, der die - 8°C auf gefühlte - 20°C absinken lässt und uns den Schnee um die Knöchel peitscht. Aber was haben wir eigentlich anderes erwartet von einer Region, die mit Idealbedingungen für Kite-Skiing wirbt?!

Aber wir sind ja nicht lange unterwegs. Nur 8 Kilometer sind es bis zur Prestholtseter-Hütte, das ist doch Pipikram!

Etwa 100 Meter hinter dem Einstieg ist von der Loipe nicht mehr viel zu sehen. Wir kämpfen uns japsend durch die Schneeverwehungen. Etwas salziges tropft mir auf die Lippen. Ich weiß nicht, was es ist, weil ich kein Gefühl mehr im Gesicht habe. Vor meinem geistigen Auge erscheint mein Grabstein mit der Inschrift: „beim Fotografieren erfroren“. Aber diese Schnee-Dünen! Und die Wurstwolken! Und dieser seltsame Felsen vor uns, der aussieht wie ein Gletscher, aber doch gar kein Gletscher sein kann, aber wenn er kein Gletscher ist, wieso ist er dann komplett weiß?

Weil vor einigen Tagen der Schnee von der Seite kam, und auch die senkrechte Wand des majestätischen Hallingskarvet zugeschneit hat, wie uns ein freundlicher Langrenner erklärt. Der sich als Münsterraner herausstellt, der in Geilo Grundschülern Norwegisch beibringt. Was es nicht alles gibt!

Vom Expeditions-Gefühl der ersten Minuten ist bald nicht mehr viel übrig. Die Strecke scheint eine beliebte Route für den Sonntagsspaziergang zu sein. Gern auch mit Hund. Einer stellt sich nonchalant hinter die fotografierende Katja und hebt sein Bein. „You look like a tree!“ meint Herrchen belustigt beim Überholen.

8 Kilometer können ziemlich lang werden. Vor allem, wenn man den gleichen Weg wieder zurück muss. Als sich die Sonne anschickt, unterzugehen, und die Hütte in Sichtweite ist, drehen auch wir um, denn heute Abend geht es zurück nach Oslo, und mindestens ein Sauna-Gang muss noch drin sein. Wie soll das nur weitergehen in Berlin?

Das Piktogramm des Tages:

Hunde und Katzen dürfen hier nicht nebeneinander sitzen!

Das Wort des Tages: Straks!

18.12. Guck mal Eli, hier gibts Mützen!

Nicht nur uns gefällt es in Norwegen ausgesprochen gut, auch meine Mütze hat das Land offensichtlich ins Herz geschlossen. Jedenfalls hat sie sich abgesetzt. Den ersten Fluchtversuch an der Gepäckaufbewahrung des Osloer Hauptbahnhofes konnte ich durch schnelles Handeln noch vereiteln, der zweite, nur 5 Minuten später eingeleitete, war erfolgreich - die U-Bahn kam! Sei's drum: Reisende soll man nicht aufhalten. Nicht einmal reisende Mützen.

Katjas Mützensuche, (eigentlich ein Leitmotiv des gesamten Urlaubs) an der ich mich bis dato nur am Rande beteiligte, nahm nun, dank des kahahalten Osloer Windes, auch mich gefangen. Es ist nicht einfach! Selbst in einem Stadtteil, der auf den wohlklingenden Namen Grünerløkka hört, nicht. In einem Punk-Laden überredet mich Katja zu dieser 3 Trillionen-Euro-Investition. Na?!


Love thy Munch!

Alas, vorbei die schöne Zeit der Tiefenentspannung. Ich habe die leise Vermutung, dass es gar nicht an den 10 Stunden Schlaf pro Nacht liegt, dass wir so wundervoll in uns zu ruhen scheinen. Es ist der fehlende Entscheidungsterror! Was anziehen, was machen, was essen – da stellt sich gar keine Frage! (Höchstens die, ob der Rum prä- oder post-saunal verabreicht wird) So schaukelt sich das Leben in einen herrlich selbstverständlichen Rhythmus. Und jetzt das Experiment: Mit Skihosen unter den Weihnachtsbaum. Vielleicht kann ich die norwegische Entspannung ja rekreieren.

Das Wort des Tages: Ekstremt forvandlet!



Nachtrag

Für alle diejenigen, die zu den Feiertagen mit neidverzerrtem Gesicht an die Kanarenreisende und ihrem Plastikbaum gedacht haben, hier ein wenig Aufmunterung.


Wer hatte nochmal etwas zum Thema "Weihnachtsbaum als Phallus des Hausherrn" gesagt?

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

GEILO!!!

Na kann ich nur feststellen:

WILL AUCH DORTHIN!!!

Wie immer wunderbar getextet Eli.

Anonym hat gesagt…

Unglaublich hübsch, kleidend und alle Deine Vorzüge preisend...so ist Deine Mütze. Ich bin begeistert und halte viel von Skihosen unterm Weihnachtsbaum zur Gefühlserinnerung und Entspannungswiedereinstellung. Ich persönlich werde nicht unterm Weihnachtsbaum aber zeitgleich nackt im Whirlpool im Hotelzimmer liegen, danach auf die Terrasse schlappen (wohl besser züchtig mit nem Handtuch umschlungen, damit die Nachbarn nicht alzu verwirrt werden) und dann auf das purpurne Meer gucken, den Wellen lauschen und ... trotzdem den mitgebrachten Glühwein schlürfen! Oh du schöne Weihnachtszeit!

FräuleinU hat gesagt…

Pah! Was ist schon ein Whirlpool ohne Schnee wert?! (nurnichtneidischwerden, nurnichtneidichwerden...) Viel Spaß!

Anonym hat gesagt…

übrigens nehmen wir einen mini-weihnachtsbaum zum selber chemischreagieren mit, so dass es den schon mal gibt allerdings soooo mini, dass ich mich nicht drunterlegen kann, sondern den baum höchstens auf meinen bauch stellen könnte. ach ja: und kleine deko-schneekristalle nehmen wir auch mit (jetzmusstduneidischwerden, jetztwirstduneidisch, jetzwirstduneidisch)

FräuleinU hat gesagt…

Oh Gawd!!! Für alle Interessenten: die Fotos vom Baum auf dem Bauch werden in Kürze auch auf diesem Kanal veröffentlicht!

Anonym hat gesagt…

Auftrag verstanden!