Gespräch mit Kameramann
Der Kameramann heißt Ingo. Ingo ist ein Anfasser. Ingo kann keinen Satz zu Ende bringen, ohne ihn mit einem Klaps auf meinen Oberarm zu unterstreichen. Ingo muss eine Menge unterstreichen. Sparkassen-TV-Spots sind großer Mist, die Uno ist ein durch und durch nutzloser Haufen, im zweiten Lebensdrittel entwickelt man die Persönlichkeit des Sternzeichen-Aszendenten.
Als sich das irritierende aber halbwegs erträgliche Oberarm-Geklatsche zum Oberschenkel-Tätscheln steigert, brauche ich eine Gesprächspause und gehe aufs Klo. Bei einem ausdauernden Blick in den Spiegel versuche ich zu ergründen, ob ich wie jemand aussehe, der gern ungefragt angefasst wird. Tue ich nicht.
Als ich mich wieder an den Tisch setze, lasse ich einen Platz zwischen mir und Ingo frei. Und lande promt in einer Prosecco-Pfütze. Im allgemeinen Aufgewische erhascht Katja einen verzweifelten Blick von mir und klinkt sich dankenswerterweise in das Gespräch ein.
Während mir Ingo seine Biographie noch ohne große Spirenzchen präsentiert hatte, bekommt Katja auf ihre Nachfrage den kompletten "Ich bin arbeitsloser Baggerfahrer"-Eiertanz. Aber die Idee ist nicht schlecht. Ich entscheide, diese Alternativ-Vita für das nächste Langweiler-Gespräch aufzuheben. Ingo ist nicht begeistert. Er meint, ich wäre zynisch. Er hingegen hätte in seinem großen Herzen so viel Sympathie für arbeitslose sowie arbeitende Baggerfahrer, dass er rechtmäßigerweise... Ich bitte um Alternativ-Vorschläge. Ingo sagt: "Bademeisterin" und kneift mir herzhaft in den Oberschenkel. Muskeltechnisch auch durchaus glaubhaft, zwinkert er. Ich überlege kurz, ob dies der richtige Moment ist, um ihm mitzuteilen, dass die Muskeln vom Kampfsport stammen. Aber dann hat er tatsächlich noch einen wirklich guten Vorschlag: Praktikantin bei der Mini-Playback-Show.
Ingo meint, ich wäre der Typ Frau, der keine Gefühle zulässt. Das sagen ihm Freud und meine Körperhaltung. Ich murmel möglichst verächtlich etwas von Küchenpsychologie, aber Ingo lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. Er greift sich meine linke Hand, zieht sie aus der Hosentasche (wo sie einen sehr guten Platz gefunden hatte) heraus, legt sie auf meinen Oberschenkel und erklärt, dass ich so weniger nervös und eingeschüchtert wirke. Dann greift er mir in den Nacken und wünscht sich laut, ich wäre seine kleine Schwester. Das ist mein Stichwort. Von einem Kniffo belächelt zu werden, ist auf Dauer doch weniger unterhaltsam als gedacht.
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