The law is far, the fist is near

Vor zwei Monaten stand da noch nichts.

Ich könnte schwören - als ich vor zwei Monaten die Reisehinweise des Auswärigen Amtes für Korea überflogen habe, war keinesfalls die Rede von "Hepatitis". Wenn ich eine Stunde vor meine Abreise nochmal einen Blick auf die Seite werfe, stelle ich wahrscheinlich fest, dass ich auch Typhus, Gelbfieber und Malaria überlesen habe. Aber sei's drum: Ich habe keine Angst!

Zumindest nicht vor Krankheiten. Denn in der "Schweiz Asiens" (Ebenfalls gern verwendete Bezeichnung für wahlweise Singapur, die Mongolei, Nepal, Kirgisien, Afghanistan und Japan) lauern weit größere Gefahren:

- In der Kanalisation von Seoul leben grässliche Monster

- China schickt als kleines Präsent regelmäßig giftige Sandstürme über das Gelbe Meer: "Hwangsa" - toxischer Gobi-Staub, schön angereichert mit Dioxinen aus den Dunstglocken über dem chinesischen Festland.

- Ich werde der einzige Tourist sein: In der Reiseabteilung von Dussmans Kulturkaufhaus verstecken sich zwischen 1,5 Regalmetern mit Reiseliteratur zu Japan und einem halben Regalmeter Laos-Bücher drei Werke zu Korea: ein Nordkorea-Handbuch, eine historische Reiseschilderung und ein Ratgeber zum Auswandern nach Süd-Korea. (Der Lonely Planet kommt so frisch von der Druckpresse, dass er den Weg ins Regal wohl noch nicht finden konnte.)

- Falls sich doch einige Touristen in das "Land der Morgenfrische" verirren sollten, bleiben sie in Seoul. Der Lonely Planet sagt: "In the countryside, it's unlike you'll meet any Westerners. English-language services are rare, but that's part of the charme. Few people can speak English to any degree of communicative competency, so it's on you to be prepared."

- Auf gehts: Koreanisch ist ein linguistisches Findelkind. Die Verwandschaftsverhältnisse sind umstritten, eine populäre Hypothese ist die Zugehörigkeit zur Ural-Altaischen Sprachfamilie, zu der neben Finnisch und Ungarisch als Vertreter der mütterlich-uralischen Seite noch z.B. Mongolisch und Kasachisch als Repräsentanten der väterlich-altaischen Linie zählen. Bekanntermaßen zeichnen sich Mitglieder dieser Sprachfamilie in erster Linie dadurch aus, dass man sie sozusagen im Vorbeigehen aufschnappen kann. Weiter vereinfacht wird der Spracherwerb durch das einzigartige koreanische Alphabet hangul, dass König Sejong 1443 im Alleingang entwickelte. Als Vorwort zur ersten Publikation seiner Erfindung schrieb er (in Chinesisch): "Ich habe achtundzwanzig Buchstaben entworfen, die jedermann mühelos erlernen und bequem in seinem Alltagsleben verwenden kann. Begabte Menschen werden hangul an einem einzigen Vormittag lernen, und selbst dumme Menschen werden sie in zehn Tagen verstehen."

- Jut. Doch selbst wenn ich mich nicht als besonders dumm herausstelle und hangul tatsächlich meistern sollte, werde ich mich heillos verirren, denn in Korea ist das Konzept der Straßennamen unbekannt. Stattdessen werden Adressen mit einem einem undurchsichtiges System von Kreis (do)-Bezirk (si)-Block (dong)-Angaben zusammengesetzt. Die einzelnen Gebäude schließlich tragen Nummern, die aber innerhalb eines Blocks in keiner Weise logisch angeordnet sind.

- Während ich suchend umherirre, sollte ich möglichst niemandem im Weg stehen. Erstens, weil ich in typisch koreanischer Art entweder rüde beiseite geschubst oder einfach überfahren werde (Wer nicht offiziell vorgestellt wurde, existiert im wahrsten Wortsinn nicht für die Umwelt). Und zweitens, weil Koreaner gefährlich sind. Ein koreanisches Sprichwort lautet: Beop-eun meolgo jumeok-eun gakkapda. "The law is far, but the fist is near." (and your elbow is even closer) Als ob dieser kurze Einblick in die koreanische Pit-Bull-Seele nicht genügte, las ich folgendes in einem Reisebericht: "Die Koreaner sind ganz wie die Iren. Sanft und sentimental. Sie sind melancholisch. Sie singen Lieder, vor allem traurige. Aber wenn man sie erzürnt, kriegt man es mit der Angst zu tun. Wenn sie wütend werden, verlieren sie vollkommen die Beherrschung. Dann wissen sie nicht mehr, was sie tun. Es ist ein erschreckender Anblick. Man sollte nie einen Koreaner in Wut bringen. Man zieht absolut den Kürzeren." (Wers nicht glaubt, der sei auf jüngste Ereignisse in Blacksburg, Virginia verwiesen.)


Wir üben schon mal für den Ernstfall

Aber wer lässt sich schon von Dritthand-Informationen aus zweitklassigen Reisetagebüchern verunsichern. Wie sagte gleich noch Mr. Smart-Boy Aldous Huxley...?

"For every traveler who has any taste of his own, the only useful guidebook will be the one which he himself has written."

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

So. Naaaaaa endlich. Jetzt wissen wirs. Blacksburg hat endlich einen triftigen Erklärungsgrund bekommen. Fiese Monsterfilme auch. Hepathtis is grundsützlich nicht schlimm. Und an "hangul" erkennt man kluge und dumme Menschen. Und wenn Kommunikation per hangul (unerwarteterweise) doch nich gehen sollte, gibt es noch das Bildwörterbuch von Langenscheidt: ringgebunden, ein-eindeutige Bildchen FÜR ALLES und (the best:) abwaschbar. Und wegen Straßennamen: Du bist doch im Urlaub, wer braucht da konkrete Adressen und/oder sogar Fahrpläne??? Bleibt MIR noch zu sagen: Japan IST die einzige Schweiz Asiens. Äh... wann gehts nochmal los?

FräuleinU hat gesagt…

Abwaschbar? Perfekt! Das hätte der Kollege, der mir schon seit Wochen das "Point it" spöttisch lächelnd ans Herz legt, mal dazu sagen sollen. Da gibts bestimmt auch ein-eindeutige Bildchen, wenn ich auf der Suche nach dem "Myeongdong Yeogwan/Guesthouse" bin. Hui!

Um die Bauhaus-Schrift komme ich also wohl nicht drum herum. Der Intelligenztest beginnt am 10. Mai, Ergebnisse werden spätestens am 2. Juni veröffentlicht. (Wer Wetten abschließen möchte: ich habe bereits beim spiegel.de-"vervollständige die folgende Bilderreihe"-Test kläglich versagt.)