Wie man angemessen Danke sagt


Mitunter dehnt sich die Zeit. Das ist keine theoretisch hergeleitete Feststellung, sondern basiert auf empirischen Beobachtungen. Wenn man mit zwei Mülltüten in der Hand und in grauer Jogginghose mit schlimmst-vorstellbarem Sitz im Hausflur steht und der Wohnungstür zusieht, wie sie schwungvoll ins Schloss fällt, bleibt die Zeit in dem Moment stehen, in dem einem bewusst wird, dass der Schlüssel und sein Freund, der Ersatzschlüssel, einträchtig nebeneinander am Schlüsselbrett hängen.

Das ist zugegebenermaßen keine besonders außergewöhnliche Erfahrung, aber sie war neu für mich. Gerade für Erwachsene ist es wichtig, neue Erfahrungen zu machen, sonst verschwimmt das Erwachsenenleben zu einem konturlosen Brei, der mir nichts, dir nichts von der Zeit in den Abfluss gespült wird. Ich schob also den Gedanken beseite, mit den Unterarm am Treppengeländer zu brechen und freute mich über den unverhofften Zugewinn an Lebenspraxis.

Beschwingt klingelte ich bei meiner Nachbarin und bat um eine Plastikkarte. Anders als im Film oder in einschlägigen Erzählungen ist es aber gar nicht so einfach, eine ins Schloss gefallene Tür mit einer Plastikkarte aufzuhebeln. Offen gestanden frage ich mich, was da üblicherweise für Plastikkarten im Spiel sind, Ikea Family Karten können es jedenfalls nicht sein. Zuerst verzweifelte ich, danach meine Nachbarin und danach deren Freund an meiner Tür, obwohl er immerhin so viel Ehrgeiz aufbrachte, das offenbar ungeeignete Plastikkarten-Werkzeug nacheinander durch einen Plastik-Order, einen gebogenen Draht und eine sehr große Büroklammer zu ersetzen. Ich hörte wie die Schlüssel hinter der Tür leise kichernd ihre metallnen Bärte aneinanderrieben und war sehr bereit für einen kräftigen Schuss Alltagstrott.

Der Freund der Nachbarin schwitzte und wählte wieder die Ikea Family Karte, ich wählte die Nummer vom Schlüsseldienst. Während Frau Schmidt von der Auftragsannahmestelle herzhaft über meinen Nachnamen lachte, meine Adresse notierte und sich ganz sicher diebisch darauf freute, mir ihren Kostenvoranschlag zu übermitteln, sprang die Wohnungstür plötzlich auf. Meine Nachbarn verschwanden nach erfüllter Mission flugs in ihre Erdgeschosswohnung, und ich wusste gar nicht wohin mit der ganzen Dankbarkeit, die meinen Schädel zu sprengen drohte. Noch eine neue Erfahrung.

Was tun?

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was tun??
Auf die traditionelle berliner Art besinnen. Eine freundliche Distanz wahrt man am besten mit "Na dit wurde abba och mal Zeit."

FräuleinU hat gesagt…

schön! dafür muss ich ja noch nichtmal geld ausgeben. das sind die besten ratschläge. und wo du schon dabei bist: was soll ich mit dem verdammten software-update anfangen?!!!!!

Anonym hat gesagt…

Was tun?
Ich würde mit einem Fläschchen Wein noch einmal runter gehen und mich bedanken, denn heutzutage ist es nicht normal, das einem geholfen wird!

LG, CP

FräuleinU hat gesagt…

wein, wein, wein... die haben sogar meinen in überschäumender dankbarkeit spontan angebotenen sekt abgelehnt! da müssen andere geschütze aufgefahren werden.

Anonym hat gesagt…

Ein angemessenes Danke...

- für das ab jetzt beständig lauernde Gefühl allzeitlicher Besuchbarkeit in der eigenen Wohnung?
- für den schalen Beigeschmack des "es mal wieder nicht genau erklärt bekommen haben, um es beim nächsten mal(heur) gleich selbst zu können?"

... nett sind diese Nachbarn, wirklich nett...

FräuleinU hat gesagt…

Eben - allzeitliche Besuchbarkeit! Da fühlt man sich gleich wie in einer Sat.1-Comedy! Wunderbar. Und jetzt wird geübt. Mit der Ikea Family-Karte. Dann komme ich auch überall rein und mache mir viele neue Freunde.