Die Konstruktion multifaktorieller Kandidaten-Portfolios

Ich liebe 4-Felder-Matrizen. Die naive Dichotomisierung von komplexen Zuständen gibt mir ein wohliges Gefühl von Deutungsmacht. Also wieso ist der Einsatz nur auf betriebswirtschaftliche Zusammenhänge beschränkt? Zweifel gibt es überall!

When in doubt, dichotomize! Zumindest liegt man dann mit 50%iger Wahrscheinlichkeit richtig. Die Berater-Riege hat das schon lange verstanden und – da sie an ihren richtigen Entscheidungen gemessen wird – folgerichtig ein großartiges Instrument zur drastischen Komplexitäts-Reduktion entwickelt. Die BCG-Matrix, eingesetzt zur Portfolio-Analyse im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung.

Ausgangspunkt für das Portfolio-Konzept ist die Einsicht, dass unterschiedliche Geschäfte mit unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen und Wachstumspotentialen von einer Unternehmung differenziert gesteuert werden müssen. Anhand der Portfolio-Analyse können für jedes Geschäftsfeld spezielle Normstrategien abgeleitet werden: Investieren, Desinvestieren, Abschöpfen.

Die Gelegenheit: Eine Freundin lädt mich ein, an einer Studie der Psychologischen Fakultät der Humboldt-Universität zum Thema "Partnerwahl" mitzuwirken. 10 Männer und 10 Frauen treffen unter dem wachsamen Auge und Ohr der Psychologen aufeinander, um nach 3 Minuten Dampfplauderei festzustellen, inwieweit das Gegenüber geeignet scheint, als "potenzieller Partner", "potenzielle Affäre" oder potenzieller "guter Freund" zu fungieren. Hmm... Ein Experiment! Ich mag Experimente!

Die Studie findet in Berlin-Adlershof statt. Die gesamte Mädchenriege ist bereits beim Eintreffen entsprechend schlecht gelaunt. Angesichts der Fragebögen, die es nun auszufüllen gilt, bessert sich die Stimmung nicht. Erst die Abgabe von Speichelproben erweist sich als unerwartete Entertainment-Einlage, als sich ein Mädchen aus der Spuckrunde das eben gefüllte Röhrchen über ihren schwarzen Pullover kippt.

Die Undwasmachstduso-Gespräche mit den Ladies gehen mir nach ein paar Minuten gehörig auf die Ketten. Endlich - ran an die Buletten! Nachdem Fingerlängen und Körpergröße vermessen wurden (nein, nein, nein, in meinem Ausweis steht 1,60m!) werden die Mädels in kuscheligen Sperrholz-Kabinen postiert, während die Männertruppe aufgereiht auf dem Gang wartet. Auf ein Startsignal hin stürmen die Männer im Gleichschritt herein. Ich muss an Pferderennen denken und kann mich nicht konzentrieren.

Ich adaptiere die BCG-Matrix. Die Positionierung der Strategischen Kandidaten-Optionen (SKO) erfolgt in einem zweidimensionalen Raum. Durch eine entsprechende Unterteilung der zwei verwendeten Dimensionen in zwei Ausprägungen ergibt sich in der Darstellung eine 4-Felder-Matrix. (Vgl. Abbildung 1) Ziel der Portfolioanalyse ist es, die SKOs zunächst zu positionieren und auf der Basis der Positionierung die strategischen Empfehlungen (Zur Wiederholung: Investieren, Abschöpfen, Desinvestieren) abzuleiten.

Aufstehen-Ichbin-Ichbin-Händeschütteln-Hinsetzen-Undwasmachstduso-machstduso- machstduso-Hahaha-Tschüssdann

Für die Eingangsbewertung wird ein multifaktorieller Ansatz gewählt, in dem folgende Dimensionen als bedeutsam identifiziert werden: Aussehen (A), Style (S), Intellektuelle Fähigkeiten (IF), Bildung (B), Wurstigkeit (W). Zur Portfolio-Darstellung werden diese 5 Dimensionen wieder auf 2 bzw. 3 Dimensionen verdichtet: Die addierten A- und S-Werte gehen in ein gemeinsames Score in der Dimension Optik (O) ein, abgetragen auf der y-Achse, die IF- und B-Werte werden entsprechend in der Dimension Geist (G) abgebildet und auf der x-Achse abgetragen. Kernkriterium Wurstigkeit (W) wird anhand der Bubblegröße dargestellt, wobei eine gering ausgeprägte Wurstigkeit zu hohen Scoring-Werten in dieser Dimension führt.

Aufstehen-Ichbin-Ichbin-Händeschütteln-Hinsetzen-Undwasmachstduso-machstduso- machstduso-Hahaha-Tschüssdann.

Hohe Werte in beiden Dimensionen (Geist und Optik) bilden die Menge der "Stars". Hier ist die strategische Handlungsempfehlung laut BCG klar: Investieren. "Cash Cows" zeichnen sich durch hohe Werte in der Dimension "Optik" aus. Strategieempfehlung: Abschöpfen. "Question Marks" weisen hauptsächlich hohe "Geist"-Werte auf. Eine globale Strategie-Empfehlung kann hier kaum abgegeben werden. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung, bei der auch verstärkt die Wurstigkeits-Werte in die Analyse eingehen, muss zwischen Investieren und Desinvestieren abgewogen werden. Simpel ist hingegen die Normstrategie für die "Poor Dogs", die niedrige Werte in beiden Dimensionen erhalten. Klare Empfehlung: Desinvestieren.

  • T., ein Wannabe-Dramaturg, derzeit Germanistik- aber nicht Theaterwissenschaftsstudent, wie er mehrfach betont, trägt Klamotten der höchsten Vernunftstufe. Punktabzug. John-Lennon-Brille. Punktabzug.

  • N. hat Style! Er ist Kameramann und kommt gerade von einem "Dreh auf Zypern". Seine polierte Glatze lenkt die Aufmerksamkeit allerdings ungünstigerweise auf die mindestens 5 mal gebrochene Nase. N. ist gebürtiger Prenzlauer Berger, war aber in seinem ganzen Leben noch nie in Pankow. Zumindest nicht wissentlich.

  • I. wohnt in Spandau. Wie es dazu kommen konnte, kann er nicht plausibel erklären. Er trägt einen leuchtblauen Wollpulli. Der Wurstigkeitsmesser schlägt bei nach unten aus: Kategorie Amöbe. Fast möchte ich fragen, ob er sich auch durch Zellteilung fortpflanzt, aber dann sind die drei Minuten um und der Nächste ist an der Reihe.

  • S. zeichet sich durch einen 1A Antifetisch aus: Eine schorfige Stelle an der Lippe. Er hat das letzte Jahr damit verbracht, bei den Gauchos in Argentinien reiten zu lernen. Jetzt arbeitet er als Informatiker, besitzt aber keinen eigenen Computer. Und auch keinen Fernseher. Und betont mehrmals, dass ihm trotzdem noch nie langweilig war...

  • B. Trägt ein T-Shirt seines Lieblingsradiosenders Sunshine live. "Electronic Music Radio"! B. ist ein Techno-Prolet aus dem Bilderbuch. Er guckt mich mit seinen riesigen Weitsicht-Augen an, die nur mühsam vom Brillenrand im Zaum gehalten werden und erzählt im breitesten Brandi-Slang von seinem Lieblingshobby. Tischtennis!

  • Wir haben eine 6 auf der y-Achse! P. ist süss. Allerdings nur solange, bis er mir erklärt, dass er „wirklich vielseitig interessiert ist". P. schaltet noch einen Gang höher. Er spiele auch sehr gern Golf! Oha. Dann stellt sich heraus, dass er erst ein einziges mal auf der Driving range war. P. ist ein posender Schlappschwanz!

  • M. hat einen wirklich interessanten Job und keine Lust auf Wasmachich-Wasmachstdu-Floskeln. Und die Glocke, die das Ende der 3 Minuten Gesprächszeit einläutet, kommt doch tatsächlich überraschend.

  • Nummer 8 heißt Osama. Ich mache böse Witze, über die Osama leider gar nicht lachen kann. Er lächelt aber weiter freundlich-pikiert und erzählt mir lieber von seiner Jura-Dissertation. Oh-oh-oh-samaaaa!

  • Herein kommt G., ein Groß- und Außenhandelskaufmann mit einem wirklich schicken Hemd. Um das zu erkennen, habe ich vielleicht eine halbe Sekunde gebraucht. Worüber wir den Rest der 3 Minuten geredet haben, kann ich beim besten Willen nicht rekonstruieren. Kein gutes Zeichen.

  • C., die Nummer 10, beherrscht die Grammatikregeln der deutschen Sprache nicht. Das ist ein noch schlimmerer Affront als eine Ekel-Griebe im Gesicht.

Ich bin fix und alle. Jetzt geht es ans Kreuzchen machen. Möchte ich jemanden wiedersehen? Ähhhhh. Die Matrix ist eindeutig, aber ich kann die Nummern nicht mehr zuordnen. Ich kreuze rum, streiche, kreuze neu. Spucke ins Röhrchen und mache mich vom Acker. Draußen bietet mir M. eine Mitfahrt in seinem roten BMW an, der ungefähr mein Alter hat. Was für ein unvernünftiges Auto! Ich mag unvernünftige Autos!

13 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebelein, wenn W aber nun den bm-W (ha ha) von seiner ollen geborgt hat, ist er doof. Wenn W allerdings das Auto selber gehört und er immer seinen Freund M (M wie Mechaniker) fragen muss, wenn mal was klappert dann ist er W-irklich irgend-W-ie gut ... W-ie is denn die Fahrt verlaufen? W-ars noch nett? Und W-ann kommt die Fortsetzung? W-eiß sie W-as sie W-ill? W-ie immer?

Anonym hat gesagt…

Nachtrag:
Könnten aus 4-Felder Matritzen nicht auch 4-Felder Matratzen werden? Hab ich nämlich als erstes gelesen (mit besten Grüßen an Herrn Freud).
W-er W-ird denn gleich W-under W-as denken...

Anonym hat gesagt…

Bravo! Sehr schöner Text und sehr gelungene Adaption dieser abstrakten Beratertechnik auf den wirklich relevanten Teil des Lebens. Mehr davon!

Ich schlage ein Modell für Clubabende vor, dass neben Aussehen und Geist auch Tanzart/Bewegungsabläufe berücksichtigt.

FräuleinU hat gesagt…

Bei der Club-Betrachtung gehts ja tatsächlich um 4-Felder-Matratzen… Olé!

Aber ja… Die allgemeine Geschmeidigkeit der Bewegungsabläufe muss dringend noch integriert werden. Allerdings: es wird komplex! Bald ist eine Conjoint-Analyse fällig. Frage hier: Inwieweit kann sexy Hüftwackeln Hüftspeck kompensieren?

Anonym hat gesagt…

Bezüglich des Hüftspeck-misst-Hüftwackel-Quotient folgener Vorschlag: zweimal Wackeln mit Akzent mal 0,5 rechnen, richtiger Shimmy (Vibrationswackeln) bringt mindestens nen 0,75 Quotienten... Aber wohin wird zuerst geguckt? Und wie gemessen? Prä-Wackel versus Post-Wackel- Umfangsmessung? Ähm... und wie wird der Erfolgsquotient (sprich 4 Felder-Matratzen-Liege-Quotient) integriert... Tja ja, da gibts noch einiges zu erforschen... Let`s rock!

FräuleinU hat gesagt…

Uh-oh. Vibrierende Hüften... Also meine persönliche Zielgruppe sieht anders aus! Aber was den Erfolgsquotienten angeht – da übernimmt Marcel bestimmt gern die dreckige Empirie-Arbeit. Ne, Marcy? Baaliiiin, Baaaliiiin.

Anonym hat gesagt…

Ein wirklich schöner Text...und die Kommentare sind echt klasse...

Übrigens habe ich am Samstag mit der Studie bezüglich des Hüftwackelns begonnen...zu erst habe ich nur beobachtet, um einmal wieder festzustellen, das die meisten Leute zwischen 18 und 24 kein Rhythmusgefühl haben...es ist jedes Mal zum Lachen und zum Weinen...und mit der Hüfte hat weder ein weibliches noch männliches Wesen gewackelt.
Nachdem ich auch schon einige Runde getanzt hatte (nein, Haareschleudern ist nicht mehr :( ) kam zu meiner Überraschung ein Lied von Shakira (wo ist das alternativ angehauchte WH hin?!) und da ich ja eine Liebhaberin von Arschwackeln bin habe ich es in allen Formen ausprobiert und was hat es mir gebracht? Zwei Freundinnen haben sich tot gelacht und ein Typ (blond, skandinavisch und tennisspielnd aussehend) ging an mir vorbei und grinste mich mit einem breiten Lächeln an...der vibrierende Hüftwackler hatte also doch funktioniert?!
Ich finde auch, die Studien sollten vertieft werden!

CP

FräuleinU hat gesagt…

"tennis spielend aussehend"? na, besser als tischtennis... ladies, wer will denn hüftwackelnde männer... aber nun gut - schlussendlich ist es ja nur die portfolio-technik und nicht das ergebnis, dass einen anspruch auf allgemeingültigkeit erhebt. also auf gehts: füllt die x- und y-achse flugs mit euren eigenen kategorien. ich will portfolios sehen!

Anonym hat gesagt…

Als in der Hierarchie untenstehender übernehme ich wohl oder übel die aufreibende Empirie-Arbeit. A propos: was ist aus Miss Empirie geworden?

FräuleinU hat gesagt…

hoho, das gefällt mir, hierarchien stumpf auf alle lebensbereiche ausdehnen - einmal prakti, immer prakti! als in der hierarchie untenstehender darf man sich auch nicht gegen bescheuerte spitznamen wehren! marcy!

miss empirie lebt und macht crazy statistische berechnungen. aber mein alter ego ist an der neuen wirkungsstätte leider noch nicht so bekannt/geschätzt. schnief.

Anonym hat gesagt…

Was heisst hier "Wer will denn einen hüftwackelnden Mann"?!
Eine geschätzte Theorie unter Soziologen: Kann man anhand des Tanzstils bei Männern erkennen, ob sie gut im Bett sind. Bei einer kleinen Untersuchung kam heraus (natürlich sehr subjektiv), das Männer, die tanzen können (und dazu gehört auch ein Hüftschwung) auch gut im Bett sind und da ist ja wohl ein Rhythmusgefühl sehr wichtig!!!

(tennis-spielend-aussehend heisst: blode kurze Haare, Poloshirt mit hochgeschlagenden Kragen und ein Typ, dem man ansieht, das er Geld hat)

@ Marcy :), eigentlich könnte man das auch mal zusammen untersuchen gehen...wir können uns ja bald persönlich darüber unterhalten.

@ pepita: Habe übrigens auch am Anfang Matratzen gelesen ;)
fettes Knutschi an Dich!

LG, CP

FräuleinU hat gesagt…

kinder, die sache entgleitet uns...! aber marcy: das thema hatten wir ja schonmal diskutiert ;-)!! HAhahahahaha

und fräuleinCP... (ich kopfschüttelnd) hochgeschlagener poloshirtkragen... die angebliche ähnlichkeit unserer geschmäcker ist wohl hiermit eindeutig widerlegt. BÄH!

Anonym hat gesagt…

Moment, da hast Du mich falsch verstanden! Dieser Tennisfuzzi passt auf keinen Fall in mein Beuteschema. Ich wollte ja nur damit beweisen, das mein Hüftwackeln die Blicke der Männer oder besser eines Mannes auf sich gezogen hat...aber wie Du schon meintest, das Thema beginnt uns zu entgleiten.

LG, CP