Soso, die Tausend Bar ist also bekannt für alternative Geschäftsmodelle

Mila und ich lehnen an der Bar, randvoll mit enormer masochistischer Energie, und teilen uns unseren wirklich letzten Gin Tonic als uns der dunkelhäutige Mann mit der roten Adidastrainingsjacke anspricht: "Ey was geht?"

Mila und ich freuen uns über die Unterhaltung auf den letzten Metern. Außerdem können wir jetzt zumindest das zweite der zwei Rätsel des heutigen Abends lösen: sind das eigentlich US-amerikanische Werbefuzzis da hinten auf dem Sofa?

Der Mann legt seine Sackkratzhand auf meinen Oberarm. Er sagt, dass er aus Bonn kommt und Frankie heisst. Frankie fragt, was wir so machen, und wir fragen Frankie, was er so macht.

Frankie sagt:

Ich bin Pornodarsteller.
Ah was.
Ja, ich bin da so reingerutscht.

Lieber Spacko, du bist ein dufter Typ, aber auch mit deinen 23cm kannst du bei mir nicht punkten, du Lügenbold.

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Ach sagt mir doch, wie's weitergeht (Stichpunkte genügen)

Mitunter ergibt es sich, dass man etwas zufällig findet, das genau für einen bestimmt war. Im hellen Licht betrachtet stellt man die Unvermeidlichkeit des Zufallsfundes fest. Ja, manchmal grenzt das Leben wirklich an ein Wunder.

Rollmann nahm den Brief von der Telekom aus dem Briefkasten, schloss seine Wohnungstür auf, ging zu seinem Schreibtisch und legte das, was sicher eine Mahnung war, säuberlich auf das, was sicher eine Rechnung war. Dann nahm er das Internet, faltete es zusammen, die Kanten und Ecken sorgfältig übereinander, und steckte es in die Jackentasche. Er musste sich beeilen, wenn er pünktlich sein wollte, die Bahnen fuhren derzeit unregelmäßig. Rollmann verstand nicht genau weswegen, es war schon ein paar Wochen her, dass er das letzte Mal Nachrichten gesehen geschweige denn eine Zeitung gelesen hatte. Die Schlaflosigkeit brachte es mit sich, dass er sich nur schlecht konzentrieren konnte.

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Agent P. meldet begründete Zweifel an der Zufälligkeit des gemeinen Zufalls an


Die Bedenken gründen sich auf folgende Ereigniskette, datiert auf Freitag und Samstag, 8. und 9. Mai 2009:

#1 Aus aktuellem Anlass denke ich einige Gedanken zum Thema vorteilhafte und willkommene Spitznamen.

#2 Ich erinnere mich an "Damals, in Georgia". Für die Kollegen von Soft Rock 102.3 WQTU Rome war ich "Sparky", the Intern. Amerikanische Hunde heißen gern Sparky.

#3 Bei einer Weißweinschorle berichte ich einer Freundin von "Sparky" und dem mit der Erinnerung verbundenen Unmut, von Männern einen Hundenamen erhalten zu haben.

#4 Einige Weißweinschorlen später suchen wir vor dem einsetzenden Regen Unterschlupf unter einem Baugerüst. Ein melancholischer, wurstförmiger Hund gesellt sich zu uns. Nachdem wir ihn und seine mickrigen Speckbeinchen ausgiebig verlacht haben, streicheln wir sein nasses Fell, der Wursthund lässt beides ohne wesentliche Gemütsregung über sich ergehen.

#5 Zum Abschied befragen wir den Besitzer zum Namen des Tieres.

#6 Der Hund heißt Sparky.

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Morgen, Kinder...

... wird's etwas Schlechteres geben als ihr euch selbst ausgesucht hättet. Sagt Herr Waldfogel und bricht eine Lanze für den Geschenkgutschein.

So sollte der jahreszeitlich angebrachte Text über das Schenken beginnen, gar kein schlechter Anfang, finde ich, er erzeugt eine leidliche Neugier auf Herrn Waldfogel und seine Theorien, Herr Waldfogel ist nämlich der Meinung, dass der Gesellschaft durch die Diskrepanz zwischen dem vom Beschenkten wahrgenommen Wert eines Geschenkes X und dem tatsächlichen Wert des Geschenkes, in Form von Y Euro, ein Milliardenschaden entsteht. Angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage ein wahrlich brisanter Befund, der zu allerlei Gedankenspielen bezüglich notwendiger gesetzlicher Regelungen einlädt.

So also wollte ich beginnen, um dann in üblicher Manier mit der Feststellung fortzufahren, dass ich (im Gegensatz zu Herrn Waldfogel, der in seinem Leben wohl zu viele Gästehandtücher bekommen hat) Geschenkgutscheine ganz und gar nicht mag, abgesehen vielleicht von Gutscheinen für Spezialgeschäfte oder für Geschäfte, deren Ware nur frisch und anlassbezogen gekauft werden sollte, wie beispielsweise die Ware eines Meeresfrüchtedelikatessengeschäftes, man stelle sich nur einmal vor...

Was denn nun genau mein Problem mit Geschenkgutscheinen für die anderen Arten von Geschäften sei, wollte ich anschließend erläutern. Ganz einfach: wenn das Ziel des Schenkens eine zwischen Schenkendem und Beschenktem ausgeglichene Wertbeimessung des Geschenks ist, sollte man sich nicht auf Geschenkgutscheine verlassen. Ein deutscher Konzern, der in Nah- oder Fernost wirtschaftlich besser Fuß fassen möchte, verschenkt schließlich auch keine Büchergutscheine, sondern greift unter der Rahmenbedingung großer Unsicherheit auf Altbewährtes zurück: Geld. Und Geld verschenkt man nicht. Man spendet, vielleicht. Oder investiert. Großeltern machen die Enkel gefügig, Schwiegereltern die Schwiegerkinder.

Wenn man kein großer deutscher Konzern ist und mitnichten in Nah- oder Fernost wirtschaftlich Fuß fassen, sondern schlicht etwas unter den Weihnachtsbaum legen möchte, und sich trotzdem nicht der von Herrn Waldfogel attestierten Wertevernichtung schuldig machen möchte, ja was tut man dann?

Da legten mir Santa und das Christkind ein derart hinterfotziges Geschenk auf den Kamin, daß mir alle diesbezüglichen Überlegungen in den Hirnwindungen stecken blieben, mittelmäßig Beschenkte mögen mir verzeihen, das Christkind ist schuld. Gut, ich habe keinen Kamin, das Geschenk lag im Hausflur, es war auch nicht verpackt, aber trotzdem ganz eindeutig für mich bestimmt, so etwas spürt man schließlich. Da lag also dieser iPod shuffle und zwinkerte mich an, freudig erregt schleppte ich das gute Stück in meine warme Wohnung und wollte schon loslegen, mit dem, was man gemeinhin mit einem iPod so anstellt. Da fiel mir auf, dass ich gar nicht in der Lage bin, dass Gerät zu bedienen. Intellektuell. Nicht. In. Der. Lage.

Schöne Bescherung.




P.S.: Die Auflösung. Es handelte sich mitnichten um einen iPod Shuffle, sondern um eine Apple iPod Radio Remote Fernbedienung, die ich promt an die verschenkt habe, die mit ausreichend Gehirnzellen und ausreichend Apple Rohmaterial ausgestattet sind. 'Tis the spirit of the season.

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It's my party and I can clean up when I want to


X: Bei dir siehts ja lustig aus.
E: Äh ja. Noch nicht aufgeräumt. Aber ist doch eigentlich ganz ordentlich.
X: Erinnert mich an meine Zivildienstzeit.
E: Inwiefern?
X: Ich habe immer so ältere Männer betreut. Bei denen sah es auch so aus.
E: ?
X: Nee, ist ja total sympathisch! Also, wenn es bei normalen Leuten so aussieht.
E: Bei normalen Leuten?
X: Na, die Männer, zu denen ich im Zivildienst immer musste, die waren ja nicht normal. Manche waren halb blind, Anderen hat ein Bein gefehlt. Also, die konnten ja nicht mehr so richtig.

(Kleiner Hinweis: FräuleinU hat keinen Zivildienst geleistet.)
Also bitte, Männer, wenns irgendwie geht, so nicht!

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Kein Anfang, kein Ende

Rollmann erwachte und kotzte sich in rhythmischen Schüben leer - direkt auf den Stapel Rolling-Stones-Magazine neben seiner Matratze. Die Zeitschriftencover und der Rest des Zimmers verschwammen vor seinen Augen und das Ziehen in seinem Kopf fühlte sich anders an als sonst.

Plötzlich dämmerte es ihm. Er hatte Hunger. Einen Hunger, der diesen Namen nicht verdiente, denn etwas, das mit einem Gurkensandwich erfolgreich bekämpft werden konnte, war eine völlig andere Liga als das, was ihn gerade am Wickel hatte. Sein Magen füllte seinen gesamten Körper aus, er war in seinen Armen, seinen Kniegelenken, seinen Eiern, er war in seinem hohlen Schädel und verdaute seine Augäpfel von innen, sein Gehirn war schon zerzetzt und tropfte aus ungezählten Körperöffnungen heraus. Schwindelig sank er zurück auf die Matratze und tastete nach seinem Wecker. Er hielt das Display direkt vor sein Gesicht, aber konnte die Zahlen nicht erkennen. Zumindest hatte das Kackteil noch nicht geklingelt.

Auf den Knien schleppte er sich in die Küche. Der Kühlschrank stand offen aber war leer, bis auf eine angebrochene Packung „Zarte Leckerbissen in Sauce“, die er direkt aus der Box fraß. Das Fleisch zwang seinen Magen zum Rückzug an seinen angestammten Platz, stellte Rollmann erleichtert fest.

Verdammte Scheiße, hatte der Wichser in der Bar gestern etwa irgendwas in seinen Drink getan, dass da definitiv nicht reingehörte? Rollmann schlitterte amöbenhaft zurück Richtung Bett. Auf dem Weg streifte sein Blick den Drecksspiegel, den Irmgard gemeinerweise im Flur platziert und den Rollmann immer noch nicht abgenommen hatte. Er sah furchtbar aus. Die tiefen Furchen um seine Mundwinkel und der leere Blick gaben ihm das Aussehen einer gesprungenen Kloschüssel.

Schmatz. Rollmanns Kotze war von den Rolling-Stones-Zeitschriften heruntergelaufen und hatte sich ihm in den Weg gelegt. Resigniert streifte er die feuchten Brocken am Bettvorleger ab und ließ sich auf die quietschenden Federn fallen. Er starrte an die Decke und versuchte, sich einen runterzuholen. Es gelang ihm nicht. Der Kerl, der ihm in der Bar den Drink ausgegeben hatte, spukte penetrant in seinem Kopf herum. Wenn Rollmann nicht so blank gewesen wäre, hätte er das Angebot sicher ausgeschlagen, der Typ war ihm nicht ganz geheuer. Er hatte Augen in Tarnfarbe, eine ekelhaft wächserne Haut und verströmte einen seltsam aasigen Geruch. Beim Gedanken daran würgte Rollmann unwillkürlich und zwang sich, das Katzenfutter wieder herunterzuschlucken.

Immerhin hatte er wieder geschlafen. Es war verdammt lange her, dass er das letzte Mal geschlafen hatte. Genau genommen konnte er sich überhaupt nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal geschlafen hatte, egal wie viel er gesoffen hatte und soweit er sich erinnern konnte, war das gestern Abend nur ein einziger Drink.

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Wünsch dir was

Als hauptberuflich leichtfertig Dahinredende spreche ich mit meinen Kollegen über Wünsche. Dienstlich, versteht sich.

Die Kollegen wünschen sich vieles. Eine möchte gern auf ausgepackten Milchschnitten schlafen. Eine andere dringend eine Kuh umwerfen. In warmer Niveacreme baden. In Uniform Verhaftungen durchführen. Auf einem Baukran picknicken. Bestürzt stelle ich fest:

Ich habe keine Wünsche.
Abgesehen von den großen Dingen, aber das wäre zu einfach.

Auf meinem Nachhauseweg fahre ich hinter einem Radfahrer, der nach jeder vierten erfolgreichen Pedalumdrehung kurz aufhört, weiterzutreten. Da fällt mir ein, was noch viel einfacher ist, als sich große Dinge zu wünschen. Dinge zu hassen.

Ich hasse viele Dinge. Akkordeon-Straßenmusiker. Kartenspiele. Unrhythmisch tretende Radfahrer. Porree.

Hassen ist einfach. Wünschen nicht. Eine Freundin meint weise, dass Wünschen eine gewisse Aktivität erfordere, Hassen bestünde hingegen in einem vergleichsweise simplen Aussortieren. Ständig präsentiere das Leben einem neue Zumutungen, die man subito mit einem forschen Wink auf den "Nein"-Stapel befördern könne.

Ich will mich rechtfertigen, aber es gelingt nicht. Doch da! Schopi, der alte Griesgram, eilt mürrisch zu Hilfe. "Dummes Weib", sagt er (natürlich, das ist seine beliebteste Einleitung) „das ist der schmerzenslose Zustand, den Epikuros als das höchste Gut und als den Zustand der Götter pries; wir sind, für jenen Augenblick, des schnöden Willensdranges entledigt, wir feiern den Sabbat der Zuchthausarbeit des Wollens, das Rad des Ixion steht still.“

Na also. Oder wünscht sich hier etwa jemand was?

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Dienstreisend


Frankfurt a. Main. Das phallische Dorf. (Die wiederholte Verwendung macht es nicht wenige wahr.) Überraschend hingegen: Um zu erfahren, dass man hier anders tickt als in der Heimat, muss man sich noch nicht einmal den Weg vom Hauptbahnhof zu den, äh..., Türmen bahnen, vorbei am Beate Uhse Palast, dem Blue Movie Cinema Center und dem Dolly Buster Emporium.

Eine kurze Taxifahrt reicht vollkommen. Die Smalltalk-Eröffnung des türkischen Fahrers: "Ganz schön heftig mit der Finanzkrise, nicht? Aber die VW-Aktie hat heute 80% zugelegt!"

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Wie man angemessen Danke sagt


Mitunter dehnt sich die Zeit. Das ist keine theoretisch hergeleitete Feststellung, sondern basiert auf empirischen Beobachtungen. Wenn man mit zwei Mülltüten in der Hand und in grauer Jogginghose mit schlimmst-vorstellbarem Sitz im Hausflur steht und der Wohnungstür zusieht, wie sie schwungvoll ins Schloss fällt, bleibt die Zeit in dem Moment stehen, in dem einem bewusst wird, dass der Schlüssel und sein Freund, der Ersatzschlüssel, einträchtig nebeneinander am Schlüsselbrett hängen.

Das ist zugegebenermaßen keine besonders außergewöhnliche Erfahrung, aber sie war neu für mich. Gerade für Erwachsene ist es wichtig, neue Erfahrungen zu machen, sonst verschwimmt das Erwachsenenleben zu einem konturlosen Brei, der mir nichts, dir nichts von der Zeit in den Abfluss gespült wird. Ich schob also den Gedanken beseite, mit den Unterarm am Treppengeländer zu brechen und freute mich über den unverhofften Zugewinn an Lebenspraxis.

Beschwingt klingelte ich bei meiner Nachbarin und bat um eine Plastikkarte. Anders als im Film oder in einschlägigen Erzählungen ist es aber gar nicht so einfach, eine ins Schloss gefallene Tür mit einer Plastikkarte aufzuhebeln. Offen gestanden frage ich mich, was da üblicherweise für Plastikkarten im Spiel sind, Ikea Family Karten können es jedenfalls nicht sein. Zuerst verzweifelte ich, danach meine Nachbarin und danach deren Freund an meiner Tür, obwohl er immerhin so viel Ehrgeiz aufbrachte, das offenbar ungeeignete Plastikkarten-Werkzeug nacheinander durch einen Plastik-Order, einen gebogenen Draht und eine sehr große Büroklammer zu ersetzen. Ich hörte wie die Schlüssel hinter der Tür leise kichernd ihre metallnen Bärte aneinanderrieben und war sehr bereit für einen kräftigen Schuss Alltagstrott.

Der Freund der Nachbarin schwitzte und wählte wieder die Ikea Family Karte, ich wählte die Nummer vom Schlüsseldienst. Während Frau Schmidt von der Auftragsannahmestelle herzhaft über meinen Nachnamen lachte, meine Adresse notierte und sich ganz sicher diebisch darauf freute, mir ihren Kostenvoranschlag zu übermitteln, sprang die Wohnungstür plötzlich auf. Meine Nachbarn verschwanden nach erfüllter Mission flugs in ihre Erdgeschosswohnung, und ich wusste gar nicht wohin mit der ganzen Dankbarkeit, die meinen Schädel zu sprengen drohte. Noch eine neue Erfahrung.

Was tun?

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Morgens um 10, wieder in Deutschland

Mein Rechner informiert mich mit der ihm eigenen gebieterischen Art, dass er, nachdem er das XP-Servicepack 3 selbständig heruntergeladen hat, es nun installieren möchte und bittet um meine Einwilligung. Ich erteile sie und gehe einkaufen.

Erzählungen von Servicepack-Installationen haben immer das gleiche Ende. Und ja, auch ich hätte es besser wissen müssen, ein Tag, an dem man schon um 10 von der ersten SMS geweckt wird, kann kein gutes Ende nehmen. Als nach dem Neustart die erste Fehlermeldung pling macht, bin ich noch entspannt. Der erste Post-Wildnis Einkauf ist abgeschlossen, der Kühlschrank sauber und gefüllt, ein Ei liegt im Kochwasser und gleich gibt’s Kaffee. Aber auch hier gilt: ich hätte es besser wissen müssen: Bei Fehlermeldungen, die man nicht ansatzweise versteht, und die auf die finsteren Abgründe der Systemdateien verweisen, ist es Zeit zu hyperventilieren.


Vielleicht sollte ich dankbar sein, dass der Super-GAU ausblieb. Meine Fotos, meine Musik, alles noch da. Aber ich bin nicht dankbar. Denn ich komme nicht mehr ins Netz. Und ich habe keinen Plan.*

Frühstücken. Nach einem ordentlichen Frühstück ist alles besser.

Mein Ei ist hart. Völlig grundlos und unverständlich, es waren nur fünfeinhalb Minuten, und von mir für mich gekochte Eier sind niemals hart, sie sind höchstens so weich, dass das Eiweiß noch flüssig ist, aber das ist in Ordnung, Hauptsache weich, ich hasse harte Eier, vor allem zum Frühstück. Der Lachsschinken schmeckt nach Dill, was ausschließlich in den Fällen toleriert werden kann ist, in denen auch tatsächlich Dill enthalten ist. Dies ist keiner dieser Fälle. Frustriert werfe ich ein weiteres Ei ins Kochwasser und schwenke zwischenzeitlich um auf süß. Zur Aufheiterung werfe ich ein viertelvolles Marmeladenglas in den Müll (Ah! Dekadenz.) und öffne ein neues. Die dänische Extrafrucht-Himbeermarmelade ist eklig. Ich hätte es wissen müssen.

Von nebenan schallt volles Rohr eine Wagner-Ouvertüre in mein Zimmer, und so langsam komme ich auch in Stimmung. In Wagner-Stimmung. Ich setze mich an meinen Rechner und klicke wild und ziellos herum. Männer, die man aufgrund ihres Irgendwas-Informatik-Abschlusses und der zur Schau gestellten Auskennerschaft vertrauensvoll um Hilfe bittet, machen grundsätzlich auch niemals etwas anderes.

Doch da! Trompeten!! Ein Licht am Endes des Tunnels! Systemwiederherstellung! Pauken, Becken, Schlussakkord!!!

Online. Warum nur muss ich jedes Mal durch die Computer-Grübelhölle, bis mir der rettende Gedanke kommt? Eine Bitte in die Runde: wenn ich das nächste Mal, verzweifelt und den Tränen nahe anrufe, weil mich der schwarze Kasten (Ein weißer Kasten macht es auch nicht einfacher!) in den Wahnsinn treibt, sagt mir das rettende Wort: Systemwiederherstellung.


* Zunächst habe ich natürlich einen. Denn mein Rechner hat im Zuge der Servicepack-Aktualisierung eigenmächtig entschieden, die Internet-Verbindung mit der internen Karte anstatt mit meinem externen Stick durchzuführen. Das kann natürlich nicht funktionieren. Doch als auch eine Re-Installation meines Stick-Drivers an der bewussten Fehlermeldung scheitert und die interne W-Lan-Karte trotz Servicescheisspack 3 immer noch kein WPA kann und deshalb nicht funktioniert, bin ich endgültig ratlos.

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UVDBSN*

Wenn man als einziges Werkzeug einen Hammer hat, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. Wenn man Bärenspray in der Tasche hat, sieht jeder Gegner wie ein Bär aus. Möglicherweise auch die Dame am Lufhansa Check-In.

Bärenspray ist extrakonzentriertes Pfefferspray für die extragroßen Gegner in der extrawilden Wildnis, dient aber in erster Linie der Beruhigung der extraängstlichen Großstädter-Greenhorns, die meinen, 3 Wochen in Alaska und dem Yukon Territory herumspazieren zu müssen.

Allerdings: psychisch ist das Bärenspray hochwirksam: Meine Mutter sagt: "Gestern haben Sie im Fernsehen gebracht, dass die kanadischen Bären viel aggressiver sind als die Problembären in deutschen Wäldern." Ich denke: "Ich bin auch viel aggressiver als die problematischen Kanadierinnen. Und außerdem bewaffnet." Jördis sagt: "Noch viel gefährlicher als die Bären sind die Elche, das ist statistisch bewiesen." Ich denke: "Ein Elch ist auch nur ein komischer Bär und außerdem bin ich statistisch gesehen bewaffnet."

Vielleicht sollte ich außerdem noch einen Rosenkranz einstecken.

* Und vergiss das Bärenspray nicht. Mein persönliches Mantra der kommenden drei Wochen. First Destination: das "Arctic Adventure Hostel". Wie vielversprechend!

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Demütigung 101

Im Drogeriemarkt. Ich schlendere zur Kasse. Da lächelt mich eine Hutzeldame an, die gerade etwas hilflos vor dem Tee-Regal steht.

"Sie!" spricht sie mich immer noch lächelnd an, "Sie sind doch bestimmt ein Stückchen größer als ich! Könnten Sie mir wohl den Magen-Darm-Tee runterreichen?" Auf Zehenspitzen angle ich das Gebräu herunter, das ganz sicher aus gutem Grund außerhalb meiner persönlichen Reichweite platziert wurde.

Als ich ihr die Packung überreiche quittiert sie meinen Erfolg: "Na, das war aber ganz schön knapp!"

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Die Linienstraße ist fertig

Kommt ganz unscheinbar daher, dieser Satz. Schleicht sich an, entfaltet seine Wucht verspätet. Eine Wucht (jeder Berliner mit ähnlichem Fahrrad-Arbeitsweg wird das nachvollziehen können) vergleichbar mit Aussagen wie „Irak befriedet“ oder „Lafontaine gibt Parteivorsitz auf“.

Jetzt also: Die rettende Parallele zur lebensfeindlichen Torstraße – einst Schlagloch-übersäht – erhielt nach nunmehr 3 Jahren Bauzeit eine perfekte Oberfläche aus dunklem, glatten Asphalt. Darauf in Weiß: die Straßenmarkierung. Ein Fahrrad, aufgebracht in der Mitte der Fahrbahn, was wohl die Besitzansprüche und Platzstreitigkeiten zwischen den Verkehrsteilnehmern abschließend klären soll.

Ich fahre die neue Linienstraße ein erstes Mal: mit Erstaunen. Ein zweites Mal: mit Genuss. Ein drittes Mal: mit Melancholie.

Und wie verleiht man einer melancholischen Stimmung am besten Ausdruck? Jawoll, mit einem Gedicht. In Memoriam:

ode an die linienstrasse

lebensretterin
aller radfahrer zwischen rosi und oranienburger
hast mich stets
vor der torstraße beschützt

doch
hast mich auch getestet
in die falle gelockt
im dunkeln
so einige dellen
verdankt dir mein vorderrad
so einige schrammen
mein kiefer
beim allzu plötzlichen eintauchen
ins tiefe schlagloch

nun ist das bauwerk vollendet
leise surrend gleite ich
über die faltenfreie oberfläche
aus schwarzem asphalt
betrübt

hast deine seele verloren
der perfektion geopfert

da bleibt
nur ein trost: in berlin ist nichts von dauer

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Peer-to-Peer-Predigt

Traditionen sind etwas Wunderbares. Sie geben uns Halt, nehmen uns Entscheidungen ab und rechtfertigen sich selbst durch immerforte Wiederholung. Wie guter Wein werden sie mit jedem Jahr, jeder Wiederauflage, jedem zusätzlichen Millimeter an Staubschicht, wertvoller. Anders als bei gutem Wein ist ihre Grundsubstanz allerdings eher nebensächlich. Beziehungsweise scheint die Regel zu gelten: je abstruser, desto wirkungsvoller. Wer auch immer auf die Idee gekommen ist, angedickten Karpfensud mit Pfefferkuchenbrocken zu vermengen und zu Sauerkraut und Hartwurstknackern zu reichen, hat ein soziales Experiment der Sorte „how low can you go“ gestartet. Trotzdem - oder gerade deshalb - können sich wohl Generationen von Exil-Schlesiern kein Weihnachtsfest ohne ihre Polnische Tunke vorstellen.

Traditionen (oder wahlweise Rituale) kann man nie genug haben. Diese Erkenntnis hat sich schon soweit durchgesetzt, dass sich bereits ein entsprechendes Berufsbild etabliert hat. (Jawohl. Martina Görke-Sauer ist von Beruf "Ritual-Designerin") Wär das nicht was für mich?

Auf der Suche nach Grundmaterial für neue, sinnstiftende Traditionen habe ich eine Entdeckung gemacht, auf die man in meinem Freundes- und Bekanntenkreis bislang unerklärlicherweise verzichten muss: den Weihnachts-Rundbrief. Entscheidend ist, dass nicht nur die Familie und enge Freunde in den Genuss der warmen Weihnachtsworte kommen, sondern jeder Eintrag im Adressbuch mit wahlweise spirituell-esoterischem oder messianisch-belehrendem Gequatsche bedacht wird.

Anbei ein Text von wahrhaft Beckett’schem Format. Wer ihn mir erklären kann, wird von mir bekocht. (Holländisch, mit meinem neuen oranje-farbenen Kochtopf) Interpretationsversuche nehme ich hier vor Ort entgegen, alternativ per Gedankenverschmelzung oder über die üblichen Koordinaten.


„Es ist schön zu leben, weil leben anfangen ist, immer, und in jedem Augenblick.“ (??!?)

Agent-Procrastinateur entgegnet entrüstet: Was, bitte, soll das Schöne am Anfangen sein? Anfangen ist anstrengend, Aufhören – hui – noch viel mehr. Das Schönste am Leben ist doch das Weitermachen. Weiteressen. Weitertrinken. Weiterlieben. Weiterschlafen.

Größtes Glück: Der Moment, in dem man mit einer lässigen Handbewegung alle Zweifel und Bedenken wegwischt, die sich leise von hinten anschleichen wollten, um uns zum Anfangen oder Aufhören zu bewegen.

Daher, und im weihnachtlichsten Sinne: ich wünsche Euch allen fröhliche Maßlosigkeit - ohne Reue.

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Und bring EIER mit! Du stehst doch auf EIER!

Nicht nur ich stelle Fragen. Auch die, hinter denen sich schlaue Köpfe verstecken. Und ja, selbst Marcel Proust (GÄHN) soll gleich zwei Mal (GOSH) in seinem Leben eben jene beantwortet haben.

Lieblingstier? Lieblingsname? Lieblingsfarbe? Lieblingskomponist? Lieblingsmaler? Lieblingsheld?

Lieblingsmarcel, wen interessiert denn das...

Die eigentlich entscheidende Frage muss doch lauten: „Wenn eine Speise nach Ihnen benannt werden sollte, welche wäre das?“ Eine "Madeleine de Proust", peut-être? Ich für meinen Teil bin jedenfalls mit dem real-existierenden Beispiel hoch zufrieden.

Oder – um mal ganz bei mir und meinem einfach gestrickten Hirn zu bleiben – eine neue Frage: Eier oder Kuchen?

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Wenn schon, denn schon

„Hmpf“ dachte der Kölner Oberbürgermeister, als er von seinem letzten Berlin-Besuch wieder an seinen Schreibtisch zurückgekehrt war. Er blickte aus dem Rathausfenster über die Stadt, gab ein unzufriedenes Grunzen von sich, nahm den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer. Normalerweise lies er sich von seiner Sekretärin verbinden, aber dies war ein heikler Fall. „Albert“ bellte er ins Telefon, „gut dass ich dich persönlich erreiche, wir müssen reden.“

Nach einem 45-minütigen Telefonat rieb sich Albert die Hände. In Berlin war damals ja leider etwas dazwischengekommen. Dass er seine grandiosen Pläne jetzt in Köln verwirklichen könne, damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Dabei lag doch alles auf der Hand! Wenn Bonn schon nicht mehr Hauptstadt sein durfte, sollte wenigstens Germania am Rhein liegen, so hatte der Oberbürgermeister argumentiert, und Albert hatte keine Einwände.

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Dahl Day!

Nachdem ich den Internationalen Tag des Ostsee-Schweinswals, den Tag des Lärms, des Versuchstieres, des Deutschen Bieres und den Tag des Folteropfers bereits ohne nennenswerte Feierlichkeiten habe vorüberziehen lassen, gedenke ich heute – an seinem offiziellen Tag - dem Meister, indem ich einen großen automatischen Grammatisator konstruiere.

Küsschen, Küsschen!

Derweil grüble ich darüber nach, wie ich die nächsten bevorstehenden Gedenktage angemessen begehen kann.

Coming up next:

  • Welttag der geistigen Gesundheit (10. Oktober)
  • Internationaler Tag der Benutzerfreundlichkeit (8. November)
  • Welttag der Feuchtgebiete (2. Februar)
  • (Zum 22. Oktober, dem Welttag des Stotterns, habe ich eine Idee.)

Suggestions welcome!

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Und nu?

Eigentlich ist ein Text über die Dramaturgie des Flirtens fällig. Über die Wichtigkeit, entscheidende Schritte in der richtigen Reihenfolge auszuführen.

Während ich also auf dem Weg zur Arbeit darüber nachdenke, ob die bisherige Sequenz verkorkst ist oder nur meine Moral verlottert, schüttelt ein Gülleauto-Fahrer seinen Saugschlauch so schwungvoll ab, dass er mir einen fetten Scheisse-Spritzer aufs Shirt zaubert.

Fremde Kacke auf dem eigenen Shirt ist eine der sogenannten Grenzerfahrungen, bei denen sich urplötzlich Prioritäten verschieben. Angelegenheiten, die man kurz vorher noch für zentral gehalten hatte, werden in Windeseile peripher. Meine Gedanken reduzieren sich auf folgenden Entscheidungsbaum:



Und nu?

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Ohne Zusammenhang

Rollmann ging in die Küche und aß einen Pfirsich, über die Spüle gebeugt. Während der süße Saft langsam an seinen Fingern herab in das Becken tropfte, spürte er in allen Gliedern eine Müdigkeit, die ihm fast den Verstand raubte. "Was auch sonst", dachte er mit letzter Kraft, dies war schließlich die zweite Nacht in Folge, in der er keinen Schlaf fand. Er warf den Kern aus dem offenen Fenster (den Richtigen der drei Müllsäcke, die Imi in seiner Küche platziert hatte, auszuwählen, war jetzt sowieso ein Ding der Unmöglichkeit) und entschied, dass es Zeit für einen weiteren Versuch wäre.

Noch ehe er einen Abdruck in den Kissen hinterlassen konnte, spürte er wieder diese gewaltige Unruhe, ein entsetzliches Jucken seines gesamten Körpers, seine Beine fingen an zu zucken, er war wach. So wach wie noch nie zuvor in seinem Leben, so wach, dass es ihm absurd erschien überhaupt jemals geschlafen zu haben. Er warf sich auf die andere Seite aber es half nichts, es hätte armdicker Stahlseile bedurft, ihn zu halten. Er sprang auf. Mit Abscheu und Verachtung betrachtete er sein Bett. Er fror. Sich etwas überzuziehen hätte bedeutet, den Wachzustand anzuerkennen, aber soweit war er noch nicht. Während er die aufreizend einladend zurückgeschlagene Bettdecke anstarrte, quoll aus einer Falte der zerwühlten Laken ein höhnisches Kichern hervor.

Rollmann fühlte sich ungerecht behandelt. Imi litt unter Schlaflosigkeit, aber doch nicht er. Jetzt musste er schon wieder an Imi denken, an Imi, wie sie ihn morgens aus ihren aufgequollenen Augen mit den roten Äderchen vorwurfsvoll anblickte, weil er sich genüsslich streckte, und ihm erklärte, ihre Schlaflosigkeit fühle sich metallisch an, zylindrisch, und mit leichtem Pfefferminzgeschmack. Er hatte immer leer zurückgeblickt und sich nocheinmal umgedreht. Jetzt würde er viel für eine kühle Schlaflosigkeit mit Pfefferminzgeschmack geben. Seine war feuerrot, und aus Leder. Sie war eine Peitsche, die ihn unbarmherzig traf, sobald er sich ins Bett legte und ihn zwang, sinnlos in seiner Wohnung umherzutigern.

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King of Knete

Hey there. My name is Narciss. Pretty, ain't I? One of these days, I'm going to walk through the woods, see a reflection of myself in a pond, and fall in love with that mirror image. Not too bad, huh? Ain't too many guys as handsome as me out there. But here's the catch: I can't kiss myself! That is, I'll try to, but I can't swim. So I'll drown.

And those two chicks are gonna film me the whole time, but who's gonna wanna watch that?!


hmmm.

(...) Der Text geht weiter! Gib mir alles!

Spieglein, Spieglein...

Sie sind Wissenschaftler, haben gerade ein Buch veröffentlicht und wenn Sie nicht schnell ein paar Exemplare verkaufen, müssen Sie wegen des schlecht verhandelten Druckkostenzuschusses in den nächsten Monaten von Studentenfutter leben? Einfach Jean Twenge bei der Arbeit über die Schulter schauen. Die Psychologie-Professorin an der Universität von San Diego zeigt Ihnen, wie Sie schnell und billig wieder Fleisch auf den Teller kriegen. Chakkah!
Man nehme:

  • eine Meta-Analyse, durchgeführt zwischen Frühstück und Mittagessen, und davon abgeleitet...
  • eine möglichst düstere Prognose für den Zustand der Gesellschaft, wofür man schnell einen Schuldigen sucht, und zwar...
  • die Medien natürlich, Dummy, und zwar am besten (jaja, man kann es nicht mehr hören aber einmal muss es noch sein) Web2.0!
Soweit das Rezept. Jetzt schauen wir mal, was Frau Twenge in den Topf geworfen hat:
  • eine Meta-Analyse des "Narcisstic Personality Inventory" (NPI) (Auf Seite 5 des Dokuments gibts die Items). Diese Skala zur Messung einer Neigung zu narzisstischer Persönlichkeitsstörung wurde zwischen 1982 bis 2006 immerhin 16.475 US-Amerikanischen Studenten vorgelegt. Und siehe da...
  • die jungen Leute von Heute haben viel höhere Werte auf der Narzissmus-Skala als die Jungs und Mädels, mit denen Twenge selbst zur Schule gegangen ist. Das macht ihr Angst. Und nun der Blick auf die Anklagebank:
  • Die Eltern, natürlich, sind immer schuld wenn etwas mit der Jugend nicht stimmt. Diesmal ist es weder die Laissez-fair- noch die autoritäre Erziehung sondern übertriebenes Lob. Hmm. Und direkt neben den Eltern sitzen immer... na klar: die Medien.
  • "Die modernen Technologien sorgen dafür, dass der Narzissmus zunimmt", meint die Psychologin, allen voran die Foren der Selbstdarstellung MySpace und YouTube.
  • Was passiert, wenn diese Ausgeburt der Mediengesellschaft erwachsen wird? Twenge schwant übles: Aufgeblähte Egos sind im Weg, wenn langfristige, emotional reife Beziehungen eingegangen werden sollen. Die Erwartungen sind groß, das emotionale Interesse am Anderen gering, Frustration wird schwer ausgehalten. Wenn die Erwartungen nicht eingelöst werden, können die narzisstisch Gekränkten ausschlagen.
Fertig ist das Werk!

Fast vergessen: auf keinen Fall Zeit mit Publikationen in der Fachpresse verschwenden. Raus mit der Pressemeldung! Es geht ja schließlich um den Buchverkauf und nicht um den Nobelpreis.

Et voilà, guten Appetit:
>>Wenn Jean Twenge, Professorin am Institut für Psychologie der San Diego State University, recht hat, dann ist das Internet in seiner aktuellen Form des "Mitmach-Web" ein einziges großes Experiment an der heutigen Jugend. "Die modernen Technologien sorgen dafür, dass der Narzissmus zunimmt", meint die Psychologin, "MySpace befriedigt schon aus seinem Namen heraus die Sucht nach Aufmerksamkeit. Und YouTube mit seinem Slogan "Sende Dich selbst!" ebenfalls".<< [http://www.heise.de/tr/artikel/90972/from/rss09]
An diesem Gedankengebäude müssen noch dringend ein paar Schrauben angezogen werden.

Aber von vorn: Narziss – Achtung griechische Mythologie – verliebte sich in sein eigenes Spiegelbild, was ihm gar nicht gut bekam. Im Alltagsverständnis ist ein Narziss ein Mensch, der sich sehr auf sich selbst bezieht und dabei andere (Menschen, Natur usw.) vernachlässigt. Narzissmus ist übertriebene Selbstliebe. Eine narzisstische Gesellschaft schätzt stärker Werte des Eigennutzens als die des Gemeinwohls. Soweit, so schlecht.

Ich wende den Blick vom Allgemeinen zum Speziellen und zähle meine Social-Internet-Accounts: Blogger, Flickr, Xing, .... und viel zu viele mehr.

Laufe ich Gefahr, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zu entwickeln?

Mal schauen, was die Fachleute sagen. Siehe da, es gibt ca. ein Dutzend verschiedene Narzisstische Prototypen, jeder mit anderen Kernkomponenten, die wiederum mit unterschiedlichen Testverfahren und Skalen gemessen werden.
  1. Jones beschreibt mit seinem „Gotteskomplex“ den Prototyp der narzisstischen Persönlichkeit: kennzeichnend sind Omnipotenzphantasien, Wunsch nach Bewunderung und Geliebtwerden, ein hohes Selbstvertrauen, jedoch auch versteckte Lerndefizite, die durch eine große Redegewandtheit verdeckt werden.
  2. In Anlehnung an Freuds „primären Narzissmus“ beschreibt Grunberger die narzisstische Persönlichkeit: Wie ein Fetus im Mutterleib, empfindet ein Narzisst sich einzigartig und erwartet bedingungslose Verwöhnung durch seine Umgebung.
  3. Reich legt den Schwerpunkt auf das sexuell perverse Verhalten: der sogenannte „phallisch-narzisstische“ Charakter – häufiger bei Männern beobachtet – stellt sich arrogant und aggressiv dar, als Schutz gegen Unterlegenheitsgefühle.
  4. Olden betont speziell die intellektuellen Defizite: die sog. „Schlagzeilenintelligenz“ sei die Tendenz, grundsätzlich keine Details zur Kenntnis zu nehmen und trotzdem den Eindruck von Bildung zu vermitteln.
Erkennt sich jemand wieder? (Oder - wir sind ja unter uns - erkennt jemand jemand anderen wieder?!) Und – was hat das alles mit MySpace und Co. zu tun?

Wenig, so viel ist klar. Aber im Verständnis von Narzissmus-Tendenzen, die mit der NPI-Skala (s.o.) gemessen werden, sind vor allem Exhibitionismus, Eitelkeit und Selbstüberschätzung ausschlaggebend. Passt schon besser. Neinnein, rufen die Social-Internet-Apologeten, es geht bei MySpace und Co. doch nicht um MICH, sondern um UNS. Aber ist nicht die Zahl der Freunde die neue Status-Währung und der Blick in den Spiegel, der uns der eigenen Beliebheit versichert?

Ist Twenge von der Wahrheit vielleicht gar nicht so weit entfernt, wenn man in diesem Paralleluniversum Freundschaften mit einem Klick beenden kann?

Oder das Gegenteil ist der Fall – die von Twenge ins Visier genommene Generation erklimmt die nächste Evolutionsstufe zu wahrhaft sozialen Wesen: während sie auf irgendeiner Website jedem unbekannten Leser mitteilen, dass sie endlich ihre Schuhe geputzt, gerade ein Omelette verbrannt haben oder am nächsten Morgen unbedingt einen Zahnarzttermin vereinbaren müssen, tasten sie in blind nach den Verbindungskabeln zum Rest der Welt, um sich in Borg-Manier unter ständigem Cyberspace-Geschnatter jederzeit zu versichern, dass Sie am Kollektiv eingestöpselt sind.

Äh, wo war ich? Soweit meine unausgegorenen Gedanken. Möchte jemand helfen?

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Ich habe einen Traum

Ich träume, ich bekomme ein Kind. Plötzlich ist es da. Ich muss die Nabelschnur durchbeissen, was gar nicht so einfach ist.

Das Kind heisst Laura, aber den Namen habe nicht ich ihm gegeben, es scheint damit auf die Welt gekommen zu sein wie die Barbie. Ich diskutiere mit einem Gesichtslosen, dass das Kind einen anderen Namen braucht, weil mir Laura nicht gefällt und ich aus Prinzip keine vorinstallierten Namen akzeptiere. Ich suche im Internet (natürlich) nach einer Website für entsprechende Inspiration und finde keine.

Das Kind verhält sich ruhig und während ich meinen Beschäftigungen nachgehe, vergesse ich immer wieder, dass es existiert und muss es suchen gehen. Einmal fällt es vom Sofa.

Was ist das für ein Mensch, der solche Träume hat?!

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The law is far, the fist is near

Vor zwei Monaten stand da noch nichts.

Ich könnte schwören - als ich vor zwei Monaten die Reisehinweise des Auswärigen Amtes für Korea überflogen habe, war keinesfalls die Rede von "Hepatitis". Wenn ich eine Stunde vor meine Abreise nochmal einen Blick auf die Seite werfe, stelle ich wahrscheinlich fest, dass ich auch Typhus, Gelbfieber und Malaria überlesen habe. Aber sei's drum: Ich habe keine Angst!

Zumindest nicht vor Krankheiten. Denn in der "Schweiz Asiens" (Ebenfalls gern verwendete Bezeichnung für wahlweise Singapur, die Mongolei, Nepal, Kirgisien, Afghanistan und Japan) lauern weit größere Gefahren:

- In der Kanalisation von Seoul leben grässliche Monster

- China schickt als kleines Präsent regelmäßig giftige Sandstürme über das Gelbe Meer: "Hwangsa" - toxischer Gobi-Staub, schön angereichert mit Dioxinen aus den Dunstglocken über dem chinesischen Festland.

- Ich werde der einzige Tourist sein: In der Reiseabteilung von Dussmans Kulturkaufhaus verstecken sich zwischen 1,5 Regalmetern mit Reiseliteratur zu Japan und einem halben Regalmeter Laos-Bücher drei Werke zu Korea: ein Nordkorea-Handbuch, eine historische Reiseschilderung und ein Ratgeber zum Auswandern nach Süd-Korea. (Der Lonely Planet kommt so frisch von der Druckpresse, dass er den Weg ins Regal wohl noch nicht finden konnte.)

- Falls sich doch einige Touristen in das "Land der Morgenfrische" verirren sollten, bleiben sie in Seoul. Der Lonely Planet sagt: "In the countryside, it's unlike you'll meet any Westerners. English-language services are rare, but that's part of the charme. Few people can speak English to any degree of communicative competency, so it's on you to be prepared."

- Auf gehts: Koreanisch ist ein linguistisches Findelkind. Die Verwandschaftsverhältnisse sind umstritten, eine populäre Hypothese ist die Zugehörigkeit zur Ural-Altaischen Sprachfamilie, zu der neben Finnisch und Ungarisch als Vertreter der mütterlich-uralischen Seite noch z.B. Mongolisch und Kasachisch als Repräsentanten der väterlich-altaischen Linie zählen. Bekanntermaßen zeichnen sich Mitglieder dieser Sprachfamilie in erster Linie dadurch aus, dass man sie sozusagen im Vorbeigehen aufschnappen kann. Weiter vereinfacht wird der Spracherwerb durch das einzigartige koreanische Alphabet hangul, dass König Sejong 1443 im Alleingang entwickelte. Als Vorwort zur ersten Publikation seiner Erfindung schrieb er (in Chinesisch): "Ich habe achtundzwanzig Buchstaben entworfen, die jedermann mühelos erlernen und bequem in seinem Alltagsleben verwenden kann. Begabte Menschen werden hangul an einem einzigen Vormittag lernen, und selbst dumme Menschen werden sie in zehn Tagen verstehen."

- Jut. Doch selbst wenn ich mich nicht als besonders dumm herausstelle und hangul tatsächlich meistern sollte, werde ich mich heillos verirren, denn in Korea ist das Konzept der Straßennamen unbekannt. Stattdessen werden Adressen mit einem einem undurchsichtiges System von Kreis (do)-Bezirk (si)-Block (dong)-Angaben zusammengesetzt. Die einzelnen Gebäude schließlich tragen Nummern, die aber innerhalb eines Blocks in keiner Weise logisch angeordnet sind.

- Während ich suchend umherirre, sollte ich möglichst niemandem im Weg stehen. Erstens, weil ich in typisch koreanischer Art entweder rüde beiseite geschubst oder einfach überfahren werde (Wer nicht offiziell vorgestellt wurde, existiert im wahrsten Wortsinn nicht für die Umwelt). Und zweitens, weil Koreaner gefährlich sind. Ein koreanisches Sprichwort lautet: Beop-eun meolgo jumeok-eun gakkapda. "The law is far, but the fist is near." (and your elbow is even closer) Als ob dieser kurze Einblick in die koreanische Pit-Bull-Seele nicht genügte, las ich folgendes in einem Reisebericht: "Die Koreaner sind ganz wie die Iren. Sanft und sentimental. Sie sind melancholisch. Sie singen Lieder, vor allem traurige. Aber wenn man sie erzürnt, kriegt man es mit der Angst zu tun. Wenn sie wütend werden, verlieren sie vollkommen die Beherrschung. Dann wissen sie nicht mehr, was sie tun. Es ist ein erschreckender Anblick. Man sollte nie einen Koreaner in Wut bringen. Man zieht absolut den Kürzeren." (Wers nicht glaubt, der sei auf jüngste Ereignisse in Blacksburg, Virginia verwiesen.)


Wir üben schon mal für den Ernstfall

Aber wer lässt sich schon von Dritthand-Informationen aus zweitklassigen Reisetagebüchern verunsichern. Wie sagte gleich noch Mr. Smart-Boy Aldous Huxley...?

"For every traveler who has any taste of his own, the only useful guidebook will be the one which he himself has written."

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Warum der Aufschwung den Berliner Ring nimmt und alle Ausfahrten in die Innenstadt verpasst

Mein Fahrrad macht komische Geräusche. Als konsequente Symptom-Bekämpferin habe ich mir einen mobilen Musik-Player angeschafft und entsprechend bespielt. Franz Ferdinand funktioniert hervorragend, Jack Johnson hingegen gar nicht, das alte Weichei lässt mich jedes Kettenknallen ungedämpft hören. Aber heute war es soweit: mein Fahrrad nimmt mir die Pankow-Kreuzberg-Touren ernsthaft übel - zur Vergeltung wechselt die 7-Gang-Nabenschaltung selbstätig die Gänge.

Mit einiger Kraft überwinde ich mein Dienstleistertrauma ("Tja!! Bei den Schuhen is nüscht mehr zu retten. Die hättense mal vor nem Jahr herbringen sollen! Wie stellense sich dit denn vor?! Allet abjelatscht!) und schiebe das Rad bei FahrradMan vorbei.

Mit einem Quentchen Empathie hätte mir FahrradMan leicht ein neues Rad unterjubeln können. Es ist Frühling, die Euros sitzen locker, und der Todsündentester (bezeichnenderweise auf einer .ch-Domain) diagnostiziert bei mir "eine nicht zu vernachlässigende Affinität zu Neid" (im konkreten Fall auf leichte, leise Flitzeräder). Aber der Berliner Dienstleister an sich ist nicht der allergeschickteste Verkäufer:

- Na, dit is doch bestimmt schon fuffzehn Jahre alt!
- Ein neues Fahrrad in Berlin ist doch auch Wahnsinn!
- Ach, geklaut wird überall.
- Dann halt ein neues Fahrrad in Berlin ohne Keller.
- Ausm Keller klauense doch ooch!
- Na gut, dann sind wohl neue Fahrräder grundsätzlich keine gute Idee!


Es sind zwei FahrradMänner. In "GoodCop, Bad Cop"-Manier erzählt mir der eine, wie ich mein Fahrrad hätte besser pflegen können, während sich der andere kopfschüttelnd darüber beugt und fluchend an der undisziplinierten Gangschaltung herumschraubt. ("Dass dit überhaupt noch fährt!" "Jebraucht also... hamse dafür noch wat jezahlt oder wenigstens Entsorjungsjebühren jekricht?"), während ich mehrmals verstört "Jetzt seien Sie doch nicht so gemein" murmele und meinem Rad beruhigend über den Sattel streiche. Dann fährt er eine Proberunde, verquatscht sich mit dem Ladenbesitzer 4 Häuser weiter, kommt mir 5 Minuten später in einem Affenzahn entgegen und fährt mich fast um, wohl um zu demonstrieren, dass die Bremsen auch nicht mehr ganz taufrisch sind.

- Hier, hamse wieder Ihre halbe Leiche!
- Und wat kriegense jetzt dafür?
- 1000 Euro oder sie müssen ne Nacht hierbleiben"
- Na, vielen Dank!
- Jaja, wir sehen uns! (Höhnisches Lachen)


Darum. Darum mache ich alles selbst. Oder einfach gar nicht. Und darum kommt der Aufschwung nicht nach Berlin. Davon unberührt: is wohl nie verkehrt een Kerl mit großer Auskenne im Fahrradsektor zu haben...

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Wo Familie draufsteht



... ist auch Familie drin?!

Meine Herren, Ihr gesellschaftliches Engagement in allen Ehren, aber so hat sich das Frau von der Leyen bestimmt nicht vorgestellt mit der Verbesserung der Betreuungsquote der zarten Kleinkinder. Obwohl... möglicherweise kommen da ganz private Motive zum Vorschein.

Mit viel Liebe gemacht. Lecker!

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Lebensaufgaben großer Schriftsteller

In der März-Ausgabe der "Park Avenue" erklärt uns Martin Walser, was er wirklich will: "Die Welt wie ein Beerenfeld leeressen".



Lieber Herr Walser, schade, dass es dazu keine Fotostrecke gibt! Und was machen Sie eigentlich, wenn Sie satt sind? Hier noch ein paar Vorschläge für den Rest des Abends:

Scherzkekse essen! Mehrere Herrengedecke bechern! Zeche prellen! Verkehrsregeln brechen! Gebete gegen Regenwetter sprechen! Geschlechtsverkehr verbessern! Meerengen queren! Den beredten Rechtsverdreher beflecken. Schlecht leckende Kerle beherzt wegtreten! Wegen des Erbes nervende Enkel erstechen! Wegen des vermehrten Beck's-Verzehrs den Ernst des Lebens bedenken!Wegen Segeln elend erbrechen! Netzhemden verschenken! Legehennenherden hetzen! Legehennenherden verzehren! Bebende Hengste decken sehen! Schweden zwecks Elch-Test beehren!

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Achtung: wütende Senioren

Luke Harding, Deutschland-Korrespondent des großartigen Guardian, erzählt von seinen Erfahrungen nach dem Umzug nach Berlin: "Germany, we discovered, is a gerontocracy - governed, a bit intolerantly it sometimes feels, by the old for the old." Mehrfach, schreibt er, ausgeschmückt mir gruseligen Beispielen, sei seine Familie in der Öffentlichkeit von wütenden Senioren gemaßregelt worden.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals von Rentnern zurechtgewiesen worden zu sein. Ist Harding in einem ZDF-Zweiteiler gefangen? Oder liegt es etwa an mir? Bin ich zu angepasst? Oder haben die Rentner Angst vor mir? Übersehen sie mich vielleicht einfach? Ich fühlte mich übergangen, und schmiedete Pläne, wie ich den Zorn der Senioren auf mich ziehen könnte.

Während ich auf einem samstäglichen Spaziergang noch im emotionalen Bodensatz des Selbstzweifels wühlte, nahte unversehens die Rettung: Nichtsahnend gähnte ich lautlos aber unübersehbar. Da bellte mich ein entgegenkommender Opa an, ich solle gefälligst meine Hand vor den Mund halten.

Was soll man dazu noch sagen? Luke, mein Beileid.

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Periphylla Periphylla. Esse est percipi!*

In den finsteren Tiefen des Lurefjords leben märchenhafte Wesen. Purpurne Medusen irrlichtern durch die ewige Dunkelheit. Nur nachts steigen sie an die Oberfläche. Ohne Hirn und ohne Herz liegen sie auf der Lauer und warten darauf, dass sich Beute in ihren mörderischen Tentakeln verfängt. Vor Tagesanbruch sinken sie mit vollgestopften Mägen wieder hinab in ihr Schattenreich.

Doch wehe, sie kehren nicht rechtzeitig zurück. Im Licht, das ihn erst sichtbar macht, wird der rote Farbstoff zu tödlichem Gift. Einmal die Sonne erblickt, zersetzen sich die Quallen von innen heraus und sterben in Schönheit.

* Mister Empirie Bischoff Berkeley sagt: “To be is to perceive or to be perceived” Und jetzt die Preisfrage: Sind die Quallen rot? (If a tree falls and noone is around to hear it, does it make a sound?)

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Ass Assessment

Sir Mix-A-Lot, so you like’em ... Aber halt, ihre Meinung ist hier nicht mehr gefragt, jetzt sind die Wissenschaftler am Werk!

Eine Gruppe von Psychologen der Manchester Metropolitan University unter der Leitung von Dr David Holmes wollte sich nicht mehr auf subjektive Meinungsäußerungen beschränken, sondern entwickelte eine Formel zur Berechnung des perfekten Hinterns. Wohl, um die „Ist mein...“-Frage künftig mit einer einfachen Ziffer beantworten zu können. (You want the truth? You get the truth!)

Lasset uns rechnen!


Dr Holmes, laut Universitäts-Website Spezialist für „ Stalking & Cyberstalking, Offender Profiling, Abnormal Psychology, Munchausen Syndrome, Psychopathy, Forensic Psychopathology, Autism, Criminology & Cybercrime, Nonverbal Behaviour, Media Psychology, Dieting & Body Image, Parapsychology, Personal & Pathological Relationships, Public Interest Psychology, Lifestyle Psychology“ (ach ja, und Ärsche) erklärt’s dem Volk im Detail:

Zunächst muss der zur Diskussion stehende Hintern auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 20 (optimopti) in folgenden Kategorien bewertet werden:

  • S = overall Shape oder auch "Gesamtform". Das Kontinuum reicht von knautschig bis, jaja, Pfirsich.
  • C = Circularity oder auch "Wölbung". Je runder desto besser, sagt Dr Holmes.
  • B = Bounciness oder auch "Schwabbelfaktor". Von Wackelpudding bis wackelfrei.
  • F = Festigkeit. Nachgiebigkeit ist hier von Nachteil.
  • T = skin Texture oder auch "Oberflächenbeschaffenheit". Smooth rulez.
Zum Abschluss gibts noch was zu messen:
  • V = Verhältnis von Hüft- zu Taillenumfang.
Chef-Arschologe Dr. Holmes verbalisiert das Ganze nocheinmal: "The perfect female derriere has firmness to the touch and a resilience that prevents undue wobble or bounce, yet looks soft with flawless skin." Gewinnerin einer Rundum-Bewertung aller prominenten Ärsche ist natürlich – wir sind in Großbritannien – Kylie!

Noch irgendwelche Fragen? Schreibt Dr Holmes oder ruft ihn an! (+44161 247 2547) Fragen kann man ihn zum Beispiel danach, ob er Dr Oliver Johnson kennt, der seinerseits eine Formel für den Nachrichtenwert von Blödsinns-Formeln aufgestellt hat.

Mit Hilfe von N = 0.3T + 0.15 FU + (QND + 0.7 PS)^2 * x/PDS kann Johnson erklären, wieso es ausgerechnet Berechnungen für perfekte
  • Weihnachtsfeste
  • Eierkuchen
  • glückliche Leben
  • Teekannentüllen
  • getunkte Kekse
  • Filme
  • Buttertoasts
  • Schweinebratenkrusten
in die General Interest-Medien schafften. Der Nachrichtenwert N setzt sich hierbei zusammen aus:
  • der Aktualität des Themas (T – Topicality
  • der Bekanntheit der Universität des publizierenden Forschers (FU-Famousness of University
  • der allgemeinen Ruhe des Nachrichtentages (QND – Quietness of the News Day)
  • dem Anteils an Pseudo-Wissenschaft, die in den Artikel integriert werden kann (PS – Pseudo Science)
  • dem Dampf, den eine PR-Kampagne zum Thema macht (x) sowie
  • der wahrgenommenen Komplexität der Summe (PSD – Perceived Difficulty of the Sum)
Als letzte Geheimzutat streue man noch eine Prise Kylie in den Text – dann ist, laut Johnson, dem Forscher in Großbritannien die Publikation so gut wie sicher. Po-o-Loge Holmes scheint zumindest in dieser Beziehung alles richtig gemacht zu haben.

Wie bitte? Höre ich da jemanden “Sexismus” rufen?! Also gut. Einen Sonderpreis erhält von mir, wer folgende Formel in einer Publikation nach Wahl unterbringt: lim x->inf f(x)=x^2

Und einen Trostpreis gibt’s für den Ersten der errät, für welches perfekte Körperteil diese Formel entwickelt wurde.

Errata

Wie aufmerksame Formelversteher richtig angemerkt haben, werden bei der Berechnung derzeit Dellenladies bevorzugt. Ob das in Holmes' Sinne ist? Man weiß es nicht... Für Fans der Smooth Texture gilt deshalb: besser andersum bewerten - Optimopti = 1!

Zusatztipp

Für alle, die sich nicht in der Lage fühlen, die Bewertung im eingepackten Zustand durchzuführen, die Akquise-Anstrengungen ohne einigermaßen sichere Erfolgsaussichten aber auch nicht auf sich nehmen wollen, sei die Anschaffung eines "Naked Body Scanners" wärmstens empfohlen. USA-Reisende dürfen sich jetzt schon freuen!

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Was bin ich?

a) Eine Feuerwehrfrau im angelsächsisch-rheinisch- psychedelischen (say it out loud!) Purgatorium

b) Eine Linguistin bei der Feldforschung, wie lange die Berlinerische Imprägnierung einem „Dat is prima“-Dauerguss standhält

c) Eine Wirtschaftswissenschaftlerin bei den ersten Feldtests zum neuen "Spot the Englishman" Betting Scheme

d) Eine Ethnologin bei der teilnehmenden Beobachtung: Möglichkeiten und Grenzen der friedlichen Koexistenz von Porno-Lack-Krankenschwestern und Erdbeer-Haasen

e) Eine Psychologin beim Experiment, ab welcher Rheinländerdichte der sukzessiv aufgebaute Erholungsdruck so stark ist, dass ein sofortiger Fluchtreflex eingeleitet wird

f) Eine Beraterin bei der Weiterentwicklung der 4-Felder-Kandidaten-Matrix unter Einbezug der Dimension "Textsicherheit bei Deutschem Schlager"

g) Eine Biologin beim Experiment, mit wie viel Bier eine Berliner Kehle geölt werden muss, um "Viva Colonia" passieren zu lassen

h) Eine Physikerin bei einer Testreihe, ob eine Polonaise (a German Conga!) am hinteren Ende genug Unterdruck erzeugen kann, 53 Kilo Karneval-hassendes Lebendgewicht anzusaugen

i) Eine betrunkene Erdbeere

j) Sonstiges, und zwar.....................

And now, Mesdames et Monsieurs, your Votes, please!

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Kafka für Anfänger

Der deutsche Paketdienst lässt mich mittels eines Klebezettels an der Haustür wissen, dass ein Päckchen für mich abgegeben wurde. Bei Feustel. In Nummer 16, im Gartenhaus. Das ist nett von Herrn oder Frau Feustel, wahrscheinlich haben sie im Bademantel die Wohnungstür aufgemacht und sich beim Erblicken des Paketmanns dafür verflucht, wieder einmal bei einem unerwarteten Klingeln aus dem Bett gehechtet zu sein. (aber die Hoffnung stirbt zuletzt)

Gern würde ich Herrn oder Frau Feustel ein weiteres Klingeln bescheren, sie für einen kurzen Moment von der Karnevalssendung im ZDF befreien und mich mit einem schiefen Grinsen dafür entschuldigen, dass nur ich es bin, mit dem Abholzettel für mein Päckchen.

Aber leider gibt es in meiner Straße keine Nummer 16. Und im Telefonbuch keinen Herrn oder Frau Feustel, wohnhaft in meiner Straße. Und an der Telefonhotline des Paketdienstes keine Mitarbeiter.

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Surrealität

Herr Ma, Botschafter der VR China in Deutschland, stellt im schlecht sitzenden Anzug einen neuen Rekord auf der nach oben offenen Unsympathen-Skala auf und leiert mit Proleten-Akzent seinen Text über die Erfüllung von Planzahlen herunter. Aller Planzahlen, wohlgemerkt. Das wird mir zumindest glaubhaft versichert, denn Herr Ma spricht nur Chinesisch. Was im Grunde nicht weiter verwundert, da ich mich auf dem Neujahrsempfang der Chinesischen Botschaft in Berlin befinde.

Was nun folgt, ist eine Parade der Seltsamkeiten. Ein deutscher „Zahnarzt und Schriftsteller“ singt von einem Bein aufs andere schwankend chinesische Schlager zu Begleitmusik vom Band. Ein riesiger Deutscher spielt im lächerlich-folkloristischen Dress im Trio mit 2 Proto-Chinesinnen ein seltsames Saiteninstrument, eine Art Laute mit Flunder-Corpus, dessen fehlender Resonanzraum sich ziemlich ungünstig auf den Klang auswirkt. Ein chinesischer Stand-up-Comedian verursacht mit seiner gefühlt-halbstündigen Darbietung starke zerebrale Krämpfe, aber spricht zumindest die einzigen deutschen Sätze des Abends: „Dlei Chinesen mit nem Kontlabass“ (Hahaha, die Chinesen können kein R.) und „Bir pahren nach Prankpurt zum Plughapen“ (Hahaha, dafür können dir Koreaner weder W noch F.).

Thank God, back to music: Eine Uigurin tanzt ihren Turktanz, der Botschafter pult sich -knipp-knapp- an den Fingernägeln und wird erst wach, als sich eine leicht bekleidete aber stark geschminkte Dame in Hüfthosen auf dem Bühnenboden räkelt. Ein angestrengter Freizeit-Tenor singt Puccini, zwei weniger angestrengte Chinesen singen "Tonight" aus der West Side Story, was unter dem Motto der kulturellen Integration ja möglicherweise zu begrüßen ist aber trotzdem reichlich deplatziert wirkt. Peking-Oper-Man lässt mich trefflich über die Distanz zwischen den ästhetischen Empfindungen von Europäern und Chinesen sinnieren, deren Größe ich kaum ermessen kann, sie ist weit wie der Ozean.

Ein Chorauftritt folgt - nachdem die genaue Funktion einer Chortribüne von den Ensemble-Mitgliedern diskutiert wurde. Die Frauen sind gekleidet in orange Pralinen. Ich bin geblendet.

Wieder zu Hause kuschele ich mich satt und zufrieden ins Bett. Mission accomplished. Surrealität gefunden.

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6:20, Offenburg

Der Nachtzug ist dunkelblau. In einem dunkelblauen Zug lässt es sich sicher hervorragend schlafen, auch wenn die Farbgebung auf den ersten Blick etwas Beängstigendes hat.

Beängstigend ist auch mein Sitznachbar, den ich kurz nach dem Einsteigen in Augenschein nehme. Ein hinkender Opa mit Stoffbeutel und diversen Plastiktüten im Schlepptau hat den Platz neben mir reserviert, setzt sich aber, dem Herrn sei gedankt, auf die andere Fensterseite, da dort eine Bank freigeblieben ist. Kurz nach der Abfahrt in Berlin kramt Hinke-Opa in einer der Plastiktüten und zaubert eine Flasche Köstritzer hervor. Mit seinem Schlüssel versucht er, den Kronkorken zu entfernen. In mir krampft sich etwas zusammen. Ich kann das Gefühl nicht genau zuordnen, aber so viel ist klar: es gibt kaum einen erbärmlicheren Anblick als einen älteren Herrn, der, umgeben von Plastiktüten, eine geschlagene halbe Stunde versucht, mit seinem Schlüssel eine Bierflasche aufzubekommen. Als es endlich zischt, bin ich kurz erleichtert. Dann erfüllt der süssliche Malzgeruch von dunklem Bier das Abteil und mein Magen zuckt erneut zusammen.

Kurz vor Hannover werden die Fahrkarten kontrolliert. Tüten-Opa zeigt sein Ticket vor - Reiseziel: Offenburg - und schläft er auf der Stelle ein. Zumindest lässt dies sein geräuschvolles Atmen vermuten. Sehr geräuschvoll. Nass. Röchelnd. Es steigert sich zu einem voluminösen Schnarchen, um auf dem Höhepunkt kurz auszusetzen und wieder leise gurgelnd zu beginnen. Die hypnotische Schnarchsymphonie zersetzt mein Hirn.

Wo zum Teufel liegt Offenburg?

Den Kopf im Nacken und mit offenem Mund sitzt er da. Seine weiße, flaumige Kehle vibriert wie ein zitterndes, neugeborenes Rattenjunges.

Mein oxidierender Geist stellt verschiedene Überlegungen an, um bis Zürich zu retten, was noch zu retten ist. Soll ich mit nassen Papierkügelchen werfen? Sollte ich mich an die Bar setzen, und mir ebenfalls ein Bier genehmigen? Ich habe gehört, dass man an der Bar von Nachtzügen die interessantesten Leute kennenlernt. Interessant ist relativ.

Ich verfluche mich dafür, die Ohropax vergessen zu haben und lasse Jack Johnson singen so laut er eben kann. Was dem Schlafversuch auch nicht eben zuträglich ist. Und in jeder Pause zwischen den Songs wird ein Stück meines Verstandes herausgesägt. Mein Hass auf Schnarch-Opa beginnt pharaonische Ausmaße anzunehmen.

Ich blättere in meiner Reiselektüre. Max Frisch fragt: "Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht: wie erklären Sie es sich, daß es dazu nie gekommen ist?"

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Die Konstruktion multifaktorieller Kandidaten-Portfolios

Ich liebe 4-Felder-Matrizen. Die naive Dichotomisierung von komplexen Zuständen gibt mir ein wohliges Gefühl von Deutungsmacht. Also wieso ist der Einsatz nur auf betriebswirtschaftliche Zusammenhänge beschränkt? Zweifel gibt es überall!

When in doubt, dichotomize! Zumindest liegt man dann mit 50%iger Wahrscheinlichkeit richtig. Die Berater-Riege hat das schon lange verstanden und – da sie an ihren richtigen Entscheidungen gemessen wird – folgerichtig ein großartiges Instrument zur drastischen Komplexitäts-Reduktion entwickelt. Die BCG-Matrix, eingesetzt zur Portfolio-Analyse im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung.

Ausgangspunkt für das Portfolio-Konzept ist die Einsicht, dass unterschiedliche Geschäfte mit unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen und Wachstumspotentialen von einer Unternehmung differenziert gesteuert werden müssen. Anhand der Portfolio-Analyse können für jedes Geschäftsfeld spezielle Normstrategien abgeleitet werden: Investieren, Desinvestieren, Abschöpfen.

Die Gelegenheit: Eine Freundin lädt mich ein, an einer Studie der Psychologischen Fakultät der Humboldt-Universität zum Thema "Partnerwahl" mitzuwirken. 10 Männer und 10 Frauen treffen unter dem wachsamen Auge und Ohr der Psychologen aufeinander, um nach 3 Minuten Dampfplauderei festzustellen, inwieweit das Gegenüber geeignet scheint, als "potenzieller Partner", "potenzielle Affäre" oder potenzieller "guter Freund" zu fungieren. Hmm... Ein Experiment! Ich mag Experimente!

Die Studie findet in Berlin-Adlershof statt. Die gesamte Mädchenriege ist bereits beim Eintreffen entsprechend schlecht gelaunt. Angesichts der Fragebögen, die es nun auszufüllen gilt, bessert sich die Stimmung nicht. Erst die Abgabe von Speichelproben erweist sich als unerwartete Entertainment-Einlage, als sich ein Mädchen aus der Spuckrunde das eben gefüllte Röhrchen über ihren schwarzen Pullover kippt.

Die Undwasmachstduso-Gespräche mit den Ladies gehen mir nach ein paar Minuten gehörig auf die Ketten. Endlich - ran an die Buletten! Nachdem Fingerlängen und Körpergröße vermessen wurden (nein, nein, nein, in meinem Ausweis steht 1,60m!) werden die Mädels in kuscheligen Sperrholz-Kabinen postiert, während die Männertruppe aufgereiht auf dem Gang wartet. Auf ein Startsignal hin stürmen die Männer im Gleichschritt herein. Ich muss an Pferderennen denken und kann mich nicht konzentrieren.

Ich adaptiere die BCG-Matrix. Die Positionierung der Strategischen Kandidaten-Optionen (SKO) erfolgt in einem zweidimensionalen Raum. Durch eine entsprechende Unterteilung der zwei verwendeten Dimensionen in zwei Ausprägungen ergibt sich in der Darstellung eine 4-Felder-Matrix. (Vgl. Abbildung 1) Ziel der Portfolioanalyse ist es, die SKOs zunächst zu positionieren und auf der Basis der Positionierung die strategischen Empfehlungen (Zur Wiederholung: Investieren, Abschöpfen, Desinvestieren) abzuleiten.

Aufstehen-Ichbin-Ichbin-Händeschütteln-Hinsetzen-Undwasmachstduso-machstduso- machstduso-Hahaha-Tschüssdann

Für die Eingangsbewertung wird ein multifaktorieller Ansatz gewählt, in dem folgende Dimensionen als bedeutsam identifiziert werden: Aussehen (A), Style (S), Intellektuelle Fähigkeiten (IF), Bildung (B), Wurstigkeit (W). Zur Portfolio-Darstellung werden diese 5 Dimensionen wieder auf 2 bzw. 3 Dimensionen verdichtet: Die addierten A- und S-Werte gehen in ein gemeinsames Score in der Dimension Optik (O) ein, abgetragen auf der y-Achse, die IF- und B-Werte werden entsprechend in der Dimension Geist (G) abgebildet und auf der x-Achse abgetragen. Kernkriterium Wurstigkeit (W) wird anhand der Bubblegröße dargestellt, wobei eine gering ausgeprägte Wurstigkeit zu hohen Scoring-Werten in dieser Dimension führt.

Aufstehen-Ichbin-Ichbin-Händeschütteln-Hinsetzen-Undwasmachstduso-machstduso- machstduso-Hahaha-Tschüssdann.

Hohe Werte in beiden Dimensionen (Geist und Optik) bilden die Menge der "Stars". Hier ist die strategische Handlungsempfehlung laut BCG klar: Investieren. "Cash Cows" zeichnen sich durch hohe Werte in der Dimension "Optik" aus. Strategieempfehlung: Abschöpfen. "Question Marks" weisen hauptsächlich hohe "Geist"-Werte auf. Eine globale Strategie-Empfehlung kann hier kaum abgegeben werden. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung, bei der auch verstärkt die Wurstigkeits-Werte in die Analyse eingehen, muss zwischen Investieren und Desinvestieren abgewogen werden. Simpel ist hingegen die Normstrategie für die "Poor Dogs", die niedrige Werte in beiden Dimensionen erhalten. Klare Empfehlung: Desinvestieren.

  • T., ein Wannabe-Dramaturg, derzeit Germanistik- aber nicht Theaterwissenschaftsstudent, wie er mehrfach betont, trägt Klamotten der höchsten Vernunftstufe. Punktabzug. John-Lennon-Brille. Punktabzug.

  • N. hat Style! Er ist Kameramann und kommt gerade von einem "Dreh auf Zypern". Seine polierte Glatze lenkt die Aufmerksamkeit allerdings ungünstigerweise auf die mindestens 5 mal gebrochene Nase. N. ist gebürtiger Prenzlauer Berger, war aber in seinem ganzen Leben noch nie in Pankow. Zumindest nicht wissentlich.

  • I. wohnt in Spandau. Wie es dazu kommen konnte, kann er nicht plausibel erklären. Er trägt einen leuchtblauen Wollpulli. Der Wurstigkeitsmesser schlägt bei nach unten aus: Kategorie Amöbe. Fast möchte ich fragen, ob er sich auch durch Zellteilung fortpflanzt, aber dann sind die drei Minuten um und der Nächste ist an der Reihe.

  • S. zeichet sich durch einen 1A Antifetisch aus: Eine schorfige Stelle an der Lippe. Er hat das letzte Jahr damit verbracht, bei den Gauchos in Argentinien reiten zu lernen. Jetzt arbeitet er als Informatiker, besitzt aber keinen eigenen Computer. Und auch keinen Fernseher. Und betont mehrmals, dass ihm trotzdem noch nie langweilig war...

  • B. Trägt ein T-Shirt seines Lieblingsradiosenders Sunshine live. "Electronic Music Radio"! B. ist ein Techno-Prolet aus dem Bilderbuch. Er guckt mich mit seinen riesigen Weitsicht-Augen an, die nur mühsam vom Brillenrand im Zaum gehalten werden und erzählt im breitesten Brandi-Slang von seinem Lieblingshobby. Tischtennis!

  • Wir haben eine 6 auf der y-Achse! P. ist süss. Allerdings nur solange, bis er mir erklärt, dass er „wirklich vielseitig interessiert ist". P. schaltet noch einen Gang höher. Er spiele auch sehr gern Golf! Oha. Dann stellt sich heraus, dass er erst ein einziges mal auf der Driving range war. P. ist ein posender Schlappschwanz!

  • M. hat einen wirklich interessanten Job und keine Lust auf Wasmachich-Wasmachstdu-Floskeln. Und die Glocke, die das Ende der 3 Minuten Gesprächszeit einläutet, kommt doch tatsächlich überraschend.

  • Nummer 8 heißt Osama. Ich mache böse Witze, über die Osama leider gar nicht lachen kann. Er lächelt aber weiter freundlich-pikiert und erzählt mir lieber von seiner Jura-Dissertation. Oh-oh-oh-samaaaa!

  • Herein kommt G., ein Groß- und Außenhandelskaufmann mit einem wirklich schicken Hemd. Um das zu erkennen, habe ich vielleicht eine halbe Sekunde gebraucht. Worüber wir den Rest der 3 Minuten geredet haben, kann ich beim besten Willen nicht rekonstruieren. Kein gutes Zeichen.

  • C., die Nummer 10, beherrscht die Grammatikregeln der deutschen Sprache nicht. Das ist ein noch schlimmerer Affront als eine Ekel-Griebe im Gesicht.

Ich bin fix und alle. Jetzt geht es ans Kreuzchen machen. Möchte ich jemanden wiedersehen? Ähhhhh. Die Matrix ist eindeutig, aber ich kann die Nummern nicht mehr zuordnen. Ich kreuze rum, streiche, kreuze neu. Spucke ins Röhrchen und mache mich vom Acker. Draußen bietet mir M. eine Mitfahrt in seinem roten BMW an, der ungefähr mein Alter hat. Was für ein unvernünftiges Auto! Ich mag unvernünftige Autos!

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Lacrimosa dies illa

Das ist sie, die Schreckensformel, mit der Dr. Cliff Arnold, seines Zeichens „Part-time Tutor“ an der Cardiff University und „Experte für Seasonal Disorders“, den 24. Januar als „schlimmsten Tag des Jahres“ identifiziert haben will.

Ich bin skeptisch, aber neugierig und lasse mir von Cliff die Formel für den Elendstag erklären.

W wie „Weather“

Cliff meint: This takes account of the depression in weather systems which affects the UK around January, bringing with it low dark cloud (making the days feel shorter), cold wet and sleet conditions and very little sunlight. After the Christmas break we are forced to go outside particularly in the mornings, increasingly exposing ourselves to the unpleasant weather conditions.

Ich sage: Das Wetter ist toll! Endlich kann ich die Oslo-Mütze tragen! Sich amortisierende Investitionen verschaffen mir immer ein warmes Gefühl der Befriedigung.

D wie „Debt“

Cliff meint: An obvious one. The amount of debt we’ve accumulated over the christmas period and the ability to pay all or most of this debt at our next pay day — the greater the difference between the amount owed and the amount paid off the greater the depression. Also we are stretched by the pressure of January sales and concerned that our next pay day won’t cover the deficit.

Ich sage: Wenn ich die Hundertmillionenmilliarden Tacken in Betracht ziehe, die ich vor einigen Tagen für „die große Reise“ über den Flugbörsentisch geschoben habe, komme ich durchaus ins Grübeln. Allerdings gesellt sich zum Grübeln auch so etwas wie Vorfreude. Und mit Vorfreude kann es selbst die Polarnacht nicht aufnehmen.

d wie „January’s Paycheck“

Cliff zuckt bedeutungsvoll mit den Schultern.

Schenk sagt, die Tatsache, dass ich damit zufrieden bin, macht mich gleichzeitig zu einem „role model“ und Antichrist.

Ich sage: Hey, es ist mehr als letzten Januar!

T wie “Time since Christmas”

Cliff meint: Recharging during the Christmas bank holidays gives us a positive feeling towards work and new plans but this feeling begins to wear off by the third week of January. It could be a good time to make concrete plans to look forward to, like a holiday.

Ich sage: Hah! Sag ich’s doch, Vorfreude rulez.

Q wie “Time since failed quit attempt”

Cliff meint: Having joined the millions of people who have made New Year’s resolutions to curb their unwanted behaviour, within an average of 6-7 days the majority of people will return to their habits. This will result in a sense of failure which knocks confidence, but this could be reversed if they begin to make changes again.

Ich sage: Pah! Mein Vorsatz ist: Liebe deine Laster! Gute Vorsätze sind eindeutig Intentionen der Kategorie "Raumspray". Gut, ich habe es in diesem Jahr noch kein einziges Mal geschafft, den Weg ins Büro oder zurück mit dem Fahrrad ohne nennenswertes Fluchen zurückzulegen. Aber wenn ich nicht fluche, explodiere ich und reiße die Kamikaze-Fußgänger, die nonchalant über den Radweg stolzieren, wohlmöglich mit in den Tod. Angeflucht werden erscheint da vergleichsweise harmlos.

M wie “General motivational levels”

Cliff meint: Following party season, it dawns on us that the fun is over and all that we have postponed for the festivities returns to haunt us. Ritual and domestic duties see the exciting plans and enthusiasm of early January go out the window.

Ich sage: „domestic duties“? „following“ party season?? Cliffyboy, du hast doch keine Ahnung… Der 24. Januar ist der Geburtstag von Dosenbier! An diesem Tag wurden 1935 in Richmond, VA die ersten Dosen von Krueger’s Finest Beer and Kruegers Cream Ale verkauft. Herrjeh, das wird gefeiert!

NA wie “The need to take action”

Cliff meint: This refers to the human need to look forward to positive things. The realisation that the party is over makes now an ideal time to organise something to look forward to provide a motivating focus, for example saving for a holiday.

Ich sage: Oha, back to Stichwort „Debt“ bzw. „Weather“. Die Reiseinvestition rechnet sich ja fast schon jetzt!

Dann frage ich Cliff, welche Werte denn genau für „Need to take action“ eingehen und wonach die Formel eigentlich aufgelöst wird. Cliff sagt gedehnt „najaaaa“. Ich denke: Von Teilzeitlehrkräften sollte man sich nichts erzählen lassen. Erst recht nicht von Walisern mit so bekloppten Namen.

Nachtrag: Wer's nicht glaubt - http://www.cardiff.ac.uk/newsevents/10592/index.html

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Gammelfleisch – selbstgebastelt

Man nehme:

Nicht aufgebrauchtes Grillfleisch ist immer eine gute Wahl. Im konkreten Fall: 300 Gramm mariniertes Nackensteak vom Schwein. Am besten von der grünen Sorte.

Und so geht’s:

Traditionelles Gammelfleisch zeichnet sich zwar in erster Linie durch eine möglichst lange Lagerung im gefrorenen Zustand aus, für wirklich gutes Gammel-Aroma ist es allerdings zu empfehlen, das Fleisch vor dem Einfrieren zunächst ordentlich angehen zu lassen.

Das Fleisch an einem Spätsommer/Frühherbst-Abend mit zum Grillen nehmen. Vor Ort feststellen, dass Bier für den weiteren Fortgang des Abends besser geeignet ist und das Fleisch schön in der Tasche lassen. Zurück in der Wohnung die Tasche inklusive Fleisch in eine Ecke stellen und das ganze Wochenende keines Blickes würdigen. Dann ab damit ins Gefrierfach und gut durchziehen lassen.

4 Monate später den möglichst leeren Kühlschrank panisch nach Fleischig-Essbarem durchforsten und feststellen, dass das Gefrierfach ja noch gut bestückt ist. Auf das Auftauen aus Dringlichkeitsgründen verzichten. Mit dem schärfsten Messer fieberhaft am grünlichen Fleischblock (Das kommt nur von der Marinade, jawohl!) herumsäbeln. Dann die mehr als ausreichende Menge an Schnetzelstückchen schön scharf anbraten. Voilà! Und immer dran denken: Gemüse zum Gammelfleisch ist was für Weicheier!

In der nächsten Folge: „Wie geht Gefrierbrand?“

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Im weiteren Fortgang

Nur mit Mühe bemerkte Rollmann den Wecker, den er selber vor einer Stunde um eine Stunde zurückgestellt hatte. „Scheiße“ nuschelte er verschlafen in sein Kopfkissen „kann nicht mal ...“ „einer den Kackwecker ausmachen?!“ wollte er sagen, bis ihm einfiel, dass niemand da war, mit dem er hätte sprechen können, jetzt, wo Imi weg war. Rollmann hatte sich noch nicht an das Alleinschlafen gewöhnt. Er konnte es nie. Rollmann brauchte Nähe.

Mit diesem Satz hatte Rollmann den größten Erfolg bei Frauen. "Ich brauche Nähe" zog immer. Die Frauen hielten Rollmann dann immer für besonders sensibel und feinfühlig, und verstanden erst spät, dass sein Bedürfnis nach Nähe mit ihrem nur wenig gemein hatte. Jetzt war Imi also weg. Das war eigentlich nicht besonders schade, Imi hatte häufig Kopfschmerzen und ein für Rollmanns Begriffe überspanntes Verhältnis zu Hygiene, aber solange er sich an ihren weichen Arsch kuscheln durfte, konnte er gut darüber hinwegsehen.

Imi hieß eigentlich Irmgard, das hätte Rollmann eine Warnung sein sollen. Einmal hatte er ihr eine dieser Tassen mit ihrem Namen darauf geschenkt. „Irmgard – die Ordnungsliebende“. Der Gedanke daran ließ ein windschiefes Grinsen über sein Gesicht huschen. Allein die Art, wie sie seinen Kühlschrank immer mit theatralisch zugehaltener Nase geöffnet hatte...

Rollmann hatte nicht besonders gut geschlafen. Das kalte Neonlicht aus dem Krankenhaus von gegenüber, das sein Schlafzimmer in ein fahles Grau tauchte, hatte ihn wach gehalten, obwohl es das sonst nie tat. Vielleicht lag es daran, dass aus einem der Krankenhausfenster ein lautes Stöhnen zu hören war. Im Halbschlaf war es Rollmann wie Imis Stimme vorgenommen, aber das konnte ja nicht sein. Wahrscheinlich hatte ihm der Teil seines Hirns, der Sehnsucht nach Imis Hintern hatte, einen üblen Streich gespielt.


Mehr zum Thema. Ohne Zusammenhang.

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Halten Sie mal bitte an!

Ich verfalle in Angststarre. An Flucht ist nicht mehr zu denken, aber vielleicht hilft ja das unschuldige Lächeln, das schon bei der Flughafensicherheit so einwandfrei funktioniert hat. Zwei Polizisten steigen aus ihrem vergitterten Mannschaftsbus und schlendern zu mir herüber. „Wie dumm man denn sein müsse, ausgerechnet dann über eine Ampel zu fahren, die ‚rot abstrahlt’, wenn ein Polizeiwagen direkt auf der anderen Straßenseite hält?“ will einer von ihnen wissen. Ich auch.

Ich könnte zu meiner Verteidigung vorbringen, dass er bei den Lichtverhältnissen und unter der Brücke wirklich sehr schlecht zu erkennen ist und außerdem, was ist denn „rot abstrahlen“ für ein bescheuerter Ausdruck? Ist die Ampel vielleicht eine verhinderte Galaxie?“ Aber ich habe mich unter Kontrolle. Ihr wollt Staubkriechen? Könnt ihr haben!

"Stimmt, das war wirklich sehr, sehr dumm. Aber ich fahre normalerweise NIE über rote Ampeln, da habe ich mir den richtigen Blick noch nicht antrainiert!"

Nach diesen Aufwärm-Übungen spielen wir das Verwarn-Spiel. Ob ich wisse, dass auch ein Fahrrad ein Fahrzeug ist? Ob ich mal daran gedacht hätte, dass die Straßenverkehrsordnung auch für mich gilt? Ich solle mir das mal durch den Kopf gehen lassen! In einer ruhigen Minute! Und schwupps wird es konjunktivisch: Das wäre ein Punkt in Flensburg gewesen! Das hätte Sie 62 Euro gekostet! Ach Jungs.

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